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Wahl in Bulgarien: Unions-Partnerpartei verliert weiter - Entertainer könnte das Rennen machen

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Bojko Borissow bei einem Auftritt vor der Europawahl in München.
Bojko Borissow bei einem Auftritt vor der Europawahl in München. © AFP / CHRISTOF STACHE

Im EU-Land Bulgarien wurde gewählt - doch die Probleme werden wohl nicht weniger. Die bürgerliche GERB verliert laut Prognosen an Zustimmung. Wohl auch wegen Korruptions-Vorwürfen.

Update vom 11. Juli, 22.25 Uhr: Bei der Parlaments-Neuwahl in Bulgarien zeichnet sich aktualisierten Prognosen zufolge nun doch ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Zwei Meinungsforschungsinstitute sahen im Gegensatz zu ersten Schätzungen am Sonntagabend die populistische Partei ITN des Entertainers Slawi Trifonow bei 23,4 bis 24 Prozent der Stimmen und damit einem knappen Vorsprung vor der Partei von Ex-Ministerpräsident Boiko Borissow. Borissows bürgerliche GERB käme nach den Angaben auf 22,9 bis 23,5 Prozent. Für das Endergebnis dürften die Stimmen von Auslandsbulgaren in 68 Ländern entscheidend sein - darunter in Deutschland und Österreich.

Die Sozialisten (Ex-KP) kämen den aktuellen Prognosen zufolge auf 13,3 bis 14,2 Prozent. Auf Platz drei könnte es auch die konservativ-liberal-grüne Anti-Korruptions-Koalition Demokratisches Bulgarien DB schaffen. Ins Parlament in Sofia dürften wieder sechs politische Kräfte einziehen. Amtliche Endergebnisse soll es erst binnen vier Tagen geben.

Wahl in Bulgarien: Unions-Partnerpartei verliert weiter - Massive Schwierigkeiten drohen

Sofia - Trotz Korruptionsvorwürfen könnte die Partei von Bulgariens Ex-Ministerpräsident Boiko Borissow die Parlamentswahl in dem EU-Land am Sonntag knapp gewonnen haben - die absolute Mehrheit hat sie aber definitiv deutlich verfehlt. Ohne eine stabile Regierungsmehrheit könnten erneut Neuwahlen in dem EU-Land nötig werden.

Die bürgerliche GERB erhielt nach ersten Prognosen des Instituts Gallup International 22,1 Prozent der Stimmen bei der Neuwahl. Die populistische Partei „Es gibt so ein Volk“ ITN des Entertainers Slawi Trifonow dürfte dieser Prognose zufolge mit einem geringen Abstand zu GERB auf 21,5 Prozent kommen. Die Sozialisten (Ex-KP) kämen auf 15,1 Prozent. Ins Parlament in Sofia dürften wieder sechs Parteien einziehen.

Bulgarien-Wahl: Prognosen da - Korruptionsvorwürfe könnten Borissow Stimmen gekostet haben

In Bulgarien wurde am Sonntag zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten ein neues Parlament gewählt. Wegen mehrerer Korruptionsaffären der Regierung und ihrem Corona-Management hatte es im Sommer des vergangenen Jahres Massenproteste gegeben. Die Wahl gilt daher auch als Machtprobe zwischen der langjährigen Machtelite und der Protestbewegung. Gegner werfen Borissow vor, selbst für ein durch und durch korruptes System bulgarischer Oligarchen zu stehen. Das hat sein Image als Kämpfer für Recht und Ordnung massiv beschädigt.

Der ehemalige Regierungschef wies am Sonntag bei seiner Stimmabgabe erneut jegliches Fehlverhalten zurück und bekräftigte seine Vorwürfe gegen die Übergangsregierung. Diese habe „Chaos gesät“. Mit Blick auf Probleme mit Wahlcomputern beschuldigte er die Übergangsregierung zudem, eine „venezolanische“ Wahl organisiert zu haben.

Kontrahent Trifonow selbst wollte weder Ministerpräsident noch Abgeordneter werden, sondern lediglich eine Regierungsbildung ohne Beteiligung der etablierten Parteien ermöglichen. „Es ist Zeit zu beenden, was wir angefangen haben und das Regierungsmodell komplett zu ändern“, schrieb er bei Facebook. Er hoffe auf eine neue Regierung aus „jungen Leuten, neuen Gesichtern“.

Wahl in Bulgarien: Turbulenzen vor Urnengang - Feuerholz für Stimmen-Kauf?

Die Neuwahl war nach einer fehlgeschlagenen Regierungsbildung infolge der regulären Parlamentswahl im April nötig geworden. Bereits bei dieser Abstimmung hatte Gerb deutlich an Rückhalt eingebüßt, war aber mit gut 26 Prozent stärkste Kraft geblieben. Trifonows ITN errang damals 17,6 Prozent der Stimmen. Als Reaktion auf das schlechte Wahlergebnis trat Borissow, der in Bulgarien seit 2009 fast durchgehend an der Macht gewesen war, zurück.

Die Übergangsregierung hatte vor der Wahl versucht gegen den weit verbreiteten Kauf von Stimmen und die Einschüchterung von Wählern vorzugehen. Diese in Bulgarien gängigen Praktiken wirken sich laut dem in der Hauptstadt Sofia ansässigen Anti-Korruptions-Fonds auf fünf bis 19 Prozent der Stimmen aus.

Mehr als 900 Menschen waren im Vorfeld festgenommen worden, weil sie mutmaßlich ärmere Menschen in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen wollten. Nach Angaben des Innenministeriums sollen die Verdächtigen den Wahlberechtigten Geldgeschenke im Wert von zehn bis 25 Euro, aber auch Feuerholz oder Grundnahrungsmittel angeboten haben.

Im Europaparlament gehört die GERB ebenso wie die deutschen CDU und CSU zur Europäischen Volkspartei (EVP). Bei einer Wahlkampfveranstaltung der EVP vor der Europawahl 2019 hatte Borissow im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Aussagen für Stirnrunzeln gesorgt. (AFP/fn)

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