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Orbans Fußballimperium: Ein Provinzklub wird zum Spiegel der Sportpolitik - „So gedeiht Korruption“

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Von: Andreas Schmid

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Viktor Orban spielt Fußball in Felcsut, das Stadion von Puskas Akademia (Montage)
Viktor Orban hat ein Faible für den Fußball. Das zeigt sich neben seiner Sportbegeisterung auch an Verbindungen in den ungarischen Erstligisten Puskas Akademia. ©  Imago/Ludvig Thunman/Montage

Schon einmal von Puskas Akademia gehört? Ein ungarischer Erstligist, den es ohne Viktor Orban nicht geben würde. Was steckt dahinter? Merkur.de berichtet aus Ungarn.

Felcsut - Mehr als zehn Fußballplätze, eigenes Fitnessstudio und Restaurant für die Spieler - und ein Stadion, das eher einer Kathedrale als einer Sportstätte gleicht: Im ungarischen Felcsut steht ein hochmodernes Fußballareal, auf das so mancher deutsche Bundesligist nur neidisch blicken kann. Dabei hat das Dorf rund 45 Kilometer von Budapest entfernt nur 1800 Einwohner. Dafür aber auch einen ambitionierten ungarischen Erstligisten. Mit einem prominenten Gründervater: Viktor Orban*.

Felcsút in der Vogelperspektive. Fußballplatz an Fußballplatz gereiht.
Felcsut in der Vogelperspektive. Fußballplatz an Fußballplatz gereiht. © Screenshot Google Maps

Puskas Akademia: Orbans Fußballimperium in der ungarischen Provinz

Puskas Akadaemia heißt der Klub, der in der nach dem einstigen ungarischen Weltklassespieler Ferenc Puskas benannten Pancho Arena spielt. Pancho war Puskas‘ Spitzname bei Real Madrid. Den Klub gibt es erst seit 2005. Ungarns heutiger Ministerpräsident Viktor Orban hat den Verein aus der Taufe gehoben. In der Fußballakademie sollten vor allem junge Spieler gefördert werden. Orban ging dafür eine Kooperation mit dem Fehervar FC ein, einem Erstligisten aus seiner Geburtsstadt Szekesfehervar.

Felcsut ist der Ort, in dem Orban aufgewachsen ist. Wenn der ungarische Politiker über seinen Fußballklub spricht, ist daher auch schnell die Rede von einem Herzensprojekt. Orban, ein laut eigener Aussage fußballverrückter Mann, der früher selbst als Mittelstürmer gekickt hat, scheint es allerdings nicht nur um die Liebe zum runden Leder zu gehen.

Puskas Akadamia: „Prinz“ Meszaros - Orbans Kumpel ist der reichste Mann im Land

Orban war anfangs Präsident des Vereins, hat die Verantwortung nun aber an seinen alten Jugendfreund Lörinc Meszaros delegiert. Meszaros hat sich dank undurchsichtiger Geschäfte und Beziehungen zu Orban zum reichsten Mann des Landes gemausert. In Felcsut ist der 56-jährige Milliardär allgegenwärtig. Mehrere Jahre war er Bürgermeister der Gemeinde, eines seiner mehr als hundert Unternehmen sponsert Puskas Akademia. Offiziell tritt er als Vorstandsvorsitzender in Erscheinung.

Meszaros hatte 1990 ein kleines Gasinstallationsunternehmen in Felcsut gegründet. Die Meszaros & Meszaros GmbH ist heute dank staatlicher Aufträge Ungarns wichtigster Akteur auf dem Baumarkt. 2017 war der Betrieb das am schnellsten wachsende börsennotierte Unternehmen der Welt. Sein Investitionsrepertoire ist breit - vom Tourismus über Medien bis hin zu Atomkraft. Dabei stand Meszaros zuvor beinahe vor dem Bankrott. Jetzt hat er laut Forbes ein geschätztes Vermögen von 1,4 Milliarden US-Dollar. Wie hat er das geschafft? Er selbst sagt: „Durch Gott, Glück und sicherlich auch Viktor Orban.“

Viktor Orban und Lőrinc Mészáros auf einem Foto der Teammitglieder von Puskas Akademia in der Saison 2007/08. Das Bild hängt in den Katakomben der Pancho Arena.
Viktor Orban und Lőrinc Mészáros auf einem Foto der Teammitglieder von Puskas Akademia in der Saison 2007/08. Das Bild hängt in den Katakomben der Pancho Arena. © as

Orban-Herausforderer Marki-Zay: „Meszaros ist nichts anderes als Orbans Geldbeutel“

Dara, eine Deutschlehrerin aus der Nähe von Felcsut meint: „Wir nennen ihn den Prinzen, es ist wie im Märchen. Eigentlich war er ein einfacher Gasinstallateur, jetzt ist er der reichste Mann im ganzen Land. So etwas geht nur in Ungarn.“

Wenn Meszaros der Prinz ist, ist Orban der König. Seinem Kumpel vermittelt der Ministerpräsident lukrative Geschäfte - nicht nur beim Stadionbau. Als Meszaros die Bekleidungsmarke 2Rule gründete, war er binnen kürzester Zeit Sponsor von drei Erstligisten - ohne nur ein einziges T-Shirt verkauft zu haben.

Peter Marki-Zay*, Orbans Gegenkandidat bei der Ministerpräsidentenwahl am 3. April, sagt Merkur.de über Meszaros: „Er ist durch Orban reich geworden und alles andere als unabhängig.“ Marki-Zay lässt Vorwürfe der persönlichen Bereicherung mitschwingen. Weil Orban aufgrund seines Ministerpräsidentenamtes keine privaten Unternehmen besitzen dürfe, gehe er den Umweg über Meszaros. „Meszaros ist nichts anderes als Orbans Geldbeutel. Sein Vermögen ist auch Orbans Vermögen, da gibt es gar keine Zweifel.“

Bei einem Ortsbesuch Mitte März wirkt das Dorf auf den ersten Blick beschaulich und unspektakulär. Kirche. Supermarkt. Postamt. Interessant ist die Seitenstraße, die von der Bushaltestelle zur Pancho Arena führt. Unmittelbar neben dem Stadion steht ein umzäuntes weißes Haus samt gehisster Ungarn-Flagge im Vorgarten. Es ist Orbans Ferienhütte. Er ist oft da, erzählt eine Dorfbewohnerin. Auch zu den Spielen von Puskas komme er regelmäßig. Er hat sogar einen eigenen Parkplatz am Stadioneingang. An diesem Freitagabend ist er nicht in der Arena.

Orbans Ferienhaus in Felcsút, im Hintergrund die Pancho-Arena.
Orbans Ferienhaus in Felcsút, im Hintergrund die Pancho-Arena. © as

Ungarns Sportpolitik: „Unter Orban gedeiht Korruption und Wettbewerbsverzerrung“

Das Rathaus der Gemeinde steht nicht für Auskünfte bereit und auch Puskas Akademia weigert sich, kritische Fragen zu beantworten. Man äußere sich nicht zu politischen Diskussionen, heißt es vom Pressesprecher des Vereins. Vor dem Stadion treffen wir einen Jugendspieler. Wesley, 17 Jahre, aus Kanada. Er könne sich nicht zu den Investitionen äußern, sagt er. Er wolle einfach nur in Europa Fußball spielen. Kritische Nachfragen sind in Felcsut unerwünscht.

Das hat auch die CDU-Politikerin Inge Gräßle erfahren. Die heutige Bundestags- und frühere EU-Abgeordnete war vor einigen Jahren mit dem EU-Haushaltskontrollausschuss in Felscut. Sie sollte prüfen, ob EU-Gelder verschwendet werden. Denn Orban hat mittels finanzieller Unterstützung aus Brüssel eine Zugverbindung von einem nahegelegenen Wald zur Pancho Arena gebaut. Wirklich genutzt wird die Strecke nicht. Der Vorwurf der Geldverschwendung steht bis heute im Raum.

Orban bei der Einweihung der neue Schmalspur-Eisenbahn in Felcsut.
Orban bei der Einweihung der neue Schmalspur-Eisenbahn in Felcsut. Die Bahn gilt als Symbol der Mittelverschwendung seiner Regierung. © EST&OST/Imago

„Unter Orban gedeiht Korruption und Wettbewerbsverzerrung“, sagt Gräßle IPPEN.MEDIA. Orban-Gegner erhielten „keinen Zugang zu EU-Programmen und Projekten“. „Der Unternehmerkreis um ihn wiederum hat privilegierte Möglichkeiten. Ihre Geschäftsprojekte werden geschützt“.

Ungarns Sportpolitik: „Erfolgreich wird der, der nah an den politisch Mächtigen ist“

An diesem Abend gewinnt Puskas mit 2:0 gegen Paks. Interessiert hat es nur wenige: In die 4000 Plätze fassende Pancho Arena sind gerade einmal 400 Fans gekommen, gut die Hälfte davon aus Paks. Auch bei anderen Erstligisten sind die Spiele selten ausverkauft. Dennoch bekamen in den letzten zehn Jahre elf der zwölf Erstligisten eine neue Arena. „In ganz Ungarn werden Fußballstadien hochgezogen, die schon vor der Corona-Pandemie halb leer waren“, sagt der Grünen-Europapolitiker Daniel Freund auf Anfrage. „Von diesen Bauprojekten profitieren wiederum jene, die mit öffentlichen Aufträgen zu Millionären und Milliardären geworden sind.“ Lörinc Meszaros ist einer von ihnen.

Im Profifußball gelte in Ungarn: „Erfolgreich wird am Ende der, der nah an den politisch Mächtigen ist. Da ist es kein Zufall, dass in einem Provinznest in Ungarn ein riesiges Stadion neben das Haus des Premierministers gebaut wurde und der dortige Verein plötzlich zu den Spitzenklubs der Liga gehört.“ Puskas ist acht Spieltage vor Saisonende Dritter und könnte sich für internationale Spiele qualifizieren. Vielleicht kommen dann auch ein paar mehr Zuschauer. (as) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

Ungarn-Wahl 2022

Dieser Artikel ist Teil unserer Berichterstattung zur Ungarn-Wahl am 3. April. Am Freitag folgt ein weiterer Text zu Ungarns Sportpolitik, am Samstag ein Interview mit Orbans Herausforderer Peter Marki-Zay.

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