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Lawrow lehnt Ukraine-Referendum ab - und kontert Selenskyjs Butscha-Rede seinerseits mit Vorwurf

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Von: Christoph Gschoßmann

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Sergej Lawrow, Außenminister von Russland, spricht während seiner Gespräche mit Vertretern der Arabischen Liga.
Sergej Lawrow, Außenminister von Russland, spricht während seiner Gespräche mit Vertretern der Arabischen Liga. © Alexander Zemlianichenko/dpa

Die Welt blickt nach New York: Sowohl Ukraine-Präsident Selenskyj als auch Russlands Außenminister Lawrow äußern sich zu Butscha.

Update vom 6. April, 09.53 Uhr: Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat vor einer Sabotage der Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew für eine Ende der Kämpfe in der Ukraine gewarnt. Russland werde sich nicht auf ein „Katz-und-Maus-Spiel“ einlassen wie in den vergangenen Jahren bei dem Friedensplan für die Ostukraine, sagte Lawrow am Dienstag in einem von dem Ministerium verbreiteten Video.

Konkret sagte Lawrow, dass Russland keine Volksabstimmung über einen möglichen Vertrag zwischen Moskau und Kiew zur Lösung des Konflikts wolle. Es gebe „eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit“, dass der Verhandlungsprozess im Falle eines „negativen Ergebnisses“ bei dem Referendum wieder von vorne beginne, mahnte Lawrow.

Die ukrainischen Unterhändler hatten sich zuletzt zwar bereiterklärt, über einen neutralen Status des Landes samt Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verhandeln. Im Gegenzug fordert Kiew Sicherheitsgarantien von Drittstaaten. Nach Vorstellung der Ukraine soll ein möglicher Vertrag über die Neutralität des Landes am Ende der Bevölkerung noch zur Abstimmung vorgelegt werden - nach Abzug der russischen Truppen. Lawrow lehnte das nun erstmals offen ab.

Zugleich kritisierte Russlands Chefdiplomat, dass die Lage in der ukrainischen Kleinstadt Butscha nahe Kiew benutzt werde, um von den Verhandlungen abzulenken. Dort waren nach dem Abzug russischer Truppen Hunderte Leichen gefunden worden. Lawrow wies die Vorwürfe der Ukraine, die russische Armee habe dort ein Massaker angerichtet, kategorisch zurück. Er behauptete, es handele sich um eine Provokation ukrainischer Nationalisten. Beweise dafür legte er nicht vor. Gleichwohl behauptete er, dass Kräfte mit der „Inszenierung“ versuchten, den Prozess der Verhandlungen zu stören.

Ukraine-Präsident Selenskyj wirft UN Versagen vor

Update, 18.57 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem UN-Sicherheitsrat im Ukraine-Krieg Versagen vorgeworfen. „Wo ist der Sicherheitsrat?“, fragte der per Video zugeschaltete Selenskyj am Dienstag vor dem Gremium in New York. „Es ist offensichtlich, dass die zentrale Institution der Welt zum Schutz von Frieden nicht effektiv arbeiten kann.“

Entscheidungen des Sicherheitsrats seien aber für den Frieden in der Ukraine notwendig, sagte Selenskyj weiter. Er schlage deswegen drei mögliche Lösungen vor: Den Beweis, dass Reform oder Veränderung möglich seien, den Ausschluss von Russland, das als ständiges Mitglied jede Entscheidung blockieren kann, oder die komplette Auflösung des Rates.

Auch die gesamten Vereinten Nationen bräuchten Veränderung, sagte Selenskyj weiter. „Die 1945 in San Francisco gesetzten Ziele sind nicht erreicht worden und es ist unmöglich, sie ohne Reform zu erreichen.“ Selenskyj schlug dafür unter anderem eine große „globale Konferenz“ in Kiew vor. „Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um der nächsten Generation eine effektive UN zu übergeben“, sagte der ukrainische Präsident. „Die Ukraine braucht Frieden, Europa braucht Frieden und die Welt braucht Frieden.“

Selenskyj im UN-Sicherheitsrat: „Rechenschaft muss unvermeidbar sein“

Update, 17.00 Uhr: Wolodymyr Selenskyj hat in seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat für die Kriegsverbrechen von Butscha ein Tribunal im Stile der Nürnberger Prozesse gefordert.

„Rechenschaft muss unvermeidbar sein“, sagte Selenskyj. Russland habe im Ukraine-Krieg „Verbrechen“ verübt. Selenskyj warf Russland zudem vor, „hunderttausende“ Ukrainer nach Russland verschleppt zu haben. „Es gibt kein Verbrechen, dass das russische Militär nicht begeht. Sie töten ganze Familien, sie erschießen Leute auf den Straßen, in den Hinterkopf, nachdem sie sie gefoltert haben. Zivilisten wurden zum Spaß mit Panzer überfahren. Frauen wurden vor ihren Kindern vergewaltigt.“

Selenskyjs Ansicht nach unterscheide sich das Verhalten der russischen Truppen nicht von Terrororganisationen. Der einzige Unterschied sei, „dass diese Terrororganisation einen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat.“ In die Runde fragt der ukrainische Präsident: „Wo ist diese Sicherheit?“ Selenskyj sagte außerdem, dass sich Russland wie eine Kolonialmacht verhalte. „Sie brauchen unseren Wohlstand und unsere Menschen.“

Selenkyj und Lawrow sprechen vor der UN über Butscha

Erstmeldung vom 5. April, 16:55 Uhr: München/New York - Ukraine und Russland äußern sich vor der UN über Butscha: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll am Dienstag erstmals seit dem russischen Einmarsch in seinem Land vor dem UN-Sicherheitsrat sprechen. Dies teilte Großbritannien am Montagabend mit, das derzeit den Vorsitz innehat. Thema wird unter anderem das mutmaßlichen Massakers an der Zivilbevölkerung in dem Kiewer Vorort Butscha sein - auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow wird sich dazu äußern.

Unterdessen treibt Großbritannien zusammen mit den USA wegen des mutmaßlichen Massakers an der Zivilbevölkerung in dem Kiewer Vorort Butscha den Ausschluss Russlands vom UN-Menschenrechtsrat voran. Russland kritisierte die westlichen Vorstöße scharf.

Selenskyj bestätigte in einer Videoansprache seinen Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat, in dem Russland einen ständigen Sitz hat. Selenskyj verwies auf die mutmaßlich von russischen Truppen getöteten Zivilisten in dem Hauptstadt-Vorort Butscha: „Die Zeit wird kommen, wenn jeder Russe die ganze Wahrheit darüber erfährt, wer von ihren Landsleuten getötet hat. Wer die Befehle gegeben hat.“

Ukraine-Krieg: Selenskyj fordert schärfere Sanktionen gegen Russland

Der ukrainische Staatschef rief die internationale Gemeinschaft erneut dazu auf, die Sanktionen gegen Moskau zu verschärfen und mehr Waffen an sein Land zu liefern. Der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Jake Sullivan, kündigte neue Wirtschaftssanktionen gegen Russland noch in „dieser Woche“ an.

Die britische UN-Vertretung teilte auf Twitter mit, sie werde „dafür sorgen, dass die Wahrheit über Russlands Kriegsverbrechen ans Licht kommt“. Großbritannien werde „Putins Krieg als das entlarven, was er wirklich ist“, erklärte die diplomatische Vertretung unter Verweis auf den russischen Staatschef Wladimir Putin.

Nach dem Abzug russischer Truppen hatten ukrainische Behörden zahlreiche Leichen mutmaßlicher Zivilisten in Butscha und anderen Vorstädten Kiews gefunden. Westliche Regierungschefs hatten Russland deshalb Kriegsverbrechen vorgeworfen und weitere Sanktionen angekündigt. Deutschland und Frankreich wiesen dutzende russische Diplomaten aus.

Sergej Lawrow will sich über die „wahre Natur“ der Ereignisse in Butscha äußern

In Russland herrscht eine ganz andere Darstellungsweise: Das Land hatte die westlichen Vorwürfe bereits als haltlos zurückgewiesen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigte an, dass sein Land bei einer Pressekonferenz um 21.30 Uhr MESZ am UN-Sitz in New York „Dokumente“ vorlegen will, die die „wahre Natur“ der Ereignisse in Butscha zeigen sollen. Er bezeichnete die Bilder von Leichen als „Fälschungen“ und prangerte eine Kampagne der „Propaganda“ und „Desinformation“ an.

Laut russischen Behörden seien die Leichen erst nach dem Abzug der russischen Truppen am 30. März aufgetaucht. Bilder der US-Satellitenbildfirma Maxar Technologies zeigten jedoch, dass einige der Leichen bereits Mitte März auf den Straßen Butschas lagen.

Unterdessen warf die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denisowa, Russland eine „unmenschliche Behandlung“ von Kriegsgefangenen vor. Davon hätten kürzlich aus russischer Gefangenschaft freigelassene ukrainische Soldaten berichtet.

Währenddessen arbeiten die USA und Großbritannien an einer Suspendierung Russlands vom UN-Menschenrechtsrat. „Wir können nicht zulassen, dass ein Mitgliedstaat, der dabei ist, alle Prinzipien zu untergraben, die uns am Herzen liegen, am UN-Menschenrechtsrat teilnimmt“, erklärte die US-Botschafterin bei der UNO, Linda Thomas-Greenfield, am Montag auf Twitter. „Die Bilder von Butscha und die Verwüstung in der gesamten Ukraine zwingen uns nun, unseren Worten Taten folgen zu lassen.“

Ukraine-Krieg: „Russland muss suspendiert werden“

Die britische Außenministerin Liz Truss erklärte: „Angesichts der eindeutigen Beweise für Kriegsverbrechen, einschließlich Berichten über Massengräber und abscheuliches Gemetzel in Butscha, kann Russland nicht Mitglied des UN-Menschenrechtsrates bleiben. Russland muss suspendiert werden.“

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia nannte das westliche Vorgehen „unglaublich“. Der Westen versuche, Russland von „multilateralen Foren“ auszuschließen. „Das ist beispiellos“. „Dies wird die Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine weder erleichtern noch fördern noch hilfreich sein“, sagte er.

Mehr als 400 Leichen von Zivilisten sind der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft zufolge sind bislang in den ehemals von russischen Truppen kontrollierten Gebieten rund um Kiew gefunden worden. Die UN-Menschenrechtschefin Michelle Bachelet sagte, die Bilder aus Butscha deuteten auf „mögliche Kriegsverbrechen“ hin. (cg mit AFP)

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