Patriot-System für Ukraine nutzlos? Militärexperte nennt neue Details
In Ramstein werden die Waffenlieferungen für die Ukraine debattiert. Das Patriot-System wird dabei eine Rolle spielen. Doch wie effektiv ist es wirklich? Ein Militärexperte klärt auf.
Kiew – Angriffe aus der Luft sind eines der größten Probleme, mit denen die Ukraine im Kampf gegen Russland konfrontiert ist. Verbündete aus dem Westen, wie Deutschland, die Niederlande oder die USA erwägen deshalb Lieferungen des Flugabwehrraketen-Systems Patriot. Die USA haben bereits angefangen, Soldaten aus der Ukraine an den Systemen auszubilden. Der wohl größte Punkt bei der Geberkonferenz in Ramstein dürften die Lieferungen von Kampfpanzern darstellen. Dort diskutieren Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsminister aus rund 50 Ländern, welche Waffen am Ende geliefert werden.
Doch kann das Patriot-System wirklich einen Schutz vor iranischen Kamikaze-Drohnen und anderen Angriffen bringen? Wir haben bei dem Militär-Experten Andy Milburn eine Einschätzung eingeholt.
Herr Milburn, können die derzeit diskutierten Patriot-Systeme der Ukraine einen adäquaten Schutz bieten?
Lassen Sie mich auf diese Frage mit einer militärischen Anekdote aus dem Zweiten Weltkrieg antworten. Im Mai 1941 griffen neun britische Fairy Swordfish-Motorflugzeuge die Bismarck an und beschädigten diese schwer. Wie schafften es diese veralteten Flugzeuge, das (damals) hochmoderne Feuerleitsystem der Bismarck zu umgehen?
Nun, genau aus diesem Grund, weil das System zu modern war. Es war schlicht und ergreifend nicht darauf programmiert, niedrig fliegende, langsame Flugzeuge zu treffen. Die eingesetzten Granaten durchdrangen die Segeltuchflügel der Doppeldecker und flogen weiter, ohne zu explodieren.
Eine nette Anekdote, aber wie passt das zu den heutigen Patriot-Systemen?
Die Patriot-Systeme haben ein sehr ähnliches Problem. Sie sind nicht dafür gemacht, langsame Drohnen oder Marschflugkörper effektiv zu bekämpfen.

Ukraine-Krieg: Hinkt die Diskussion um Luftabwehrsysteme dem Kriegsgeschehen hinterher?
Haben Sie dafür vielleicht ein aktuelles Beispiel?
Aber natürlich, im Jahr 2019 verursachten iranische Drohnen erhebliche Schäden an der Aramaco Ölanlage in Saudi-Arabien. Diese Anlage wurde von einem solchen Patriot-System geschützt. Wie Sie wissen, setzt Russland ebenfalls Kamikaze-Drohnen aus dem Iran ein. Vor diesen bietet das Patriot-System aus meiner Sicht keinen ausreichenden Schutz.
Also bietet das Patriot-Systeme keinen adäquaten Schutz für die Ukraine?
So kann man das nicht sagen. In der Abwehr von ballistische Raketen leistet das Patriot-System ganze Arbeit. Zu Beginn des Kriegs, hat Russland vermehrt mit Iskander-Raketen angegriffen, hierfür wären die Patriot-Systeme das perfekte Mittel gewesen. Aber jetzt sind die Iskander-Bestände gering und die Russen haben bei ihren jüngsten Angriffen Marschflugkörper und Drohnen eingesetzt. Das Patriot-System kann diese Angriffe nicht adäquat abfangen, wie das vorherige Beispiel aus Saudi-Arabien zeigt.
Militärexperte Andy Milburn
Andy Milburn hat 31 Jahre bei den US Marines gedient. Die letzten zehn Jahre seiner Dienstzeit hat er im Kommando für Spezialoperationen verbracht. Er hat von 2016 an die Joint Special Operations Task Force im Irak kommandiert und wurde stellvertretender Befehlshaber des Special Operations Command Center. Dieses Kommando war für alle Spezialoperationen im Nahen Osten verantwortlich, die sich in erster Linie gegen den islamischen Staat richteten.
Seit seinem Ausscheiden aus der Armee im Jahr 2019 ist Milburn als Berater für militärische Angelegenheiten, mit einem Fokus auf Spezialoperationen, tätig. Heute ist er Leiter der Mozart-Gruppe und trainiert Rekruten in der Ukraine.
(Interview: Lucas Maier)