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Erdogans „SofaGate“: Video zeigt verdatterte Reaktion von der Leyens auf Sitzordnung - Michel plagt Gewissen

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Von: Astrid Theil

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Es sind die kleinen Gesten, die oft mehr als tausend Worte sagen. Jedenfalls sorgte die Sitzordnung beim Treffen mit Erdogan für Kritik in den sozialen Medien.

Update vom 10. April, 13.00 Uhr: EU-Ratspräsident Charles Michel plagt ein schlechtes Gewissen. Nach der „Sofagate“-Affäre beim Besuch der EU-Spitzen in Ankara äußerte sich Michel gegenüber dem Düsseldorfer „Handelsblatt“ und anderen europäischen Wirtschaftsmedien bedrückt. „Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich seither nachts nicht gut schlafe, weil sich die Szenen in meinem Kopf immer wieder abspielen“, so Michel zum „Handelsblatt“. Wenn er die Möglichkeit hätte, würde er zurückreisen und „die Sache“ reparieren.

Im Zuge des Besuchs von Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan kam es zu einem diplomatischen Eklat, der nun als „Sofagate“-Affäre in den Medien betitelt wird. Beim Auftakt des Treffens setzten sich Erdogan und Michel in zwei nebeneinander stehende Sessel - ein dritter Sessel für von der Leyen stand nicht bereit. Sie musste in beträchtlichem Abstand auf einem Sofa Platz nehmen.

Diplomatischer Eklat in Ankara: Michel plagt schlechtes Gewissen

Dieser Moment wurde in einem Video festgehalten: Zu sehen ist, wie die Kommissionspräsidentin in dieser Situation stehen bleibt und mit einem „Ähm“ reagiert. Die Brüskierung von der Leyens vor laufenden Kameras hatte zu massiver Kritik aus Brüssel geführt. Der türkischen Regierung wurde Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Michel wurde wiederum vorgeworfen, dass er nicht gegen die Behandlung protestiert hatte.

Gegenüber dem „Handelsblatt“ verteidigte sich Michel: „Meine Befürchtung war, dass ich, wenn ich in irgendeiner Weise reagiert hätte, einen viel schwerwiegenderen Vorfall ausgelöst hätte“, sagte er. Dennoch hatte der Ratspräsident bereits am Mittwoch die Behandlung von der Leyens in Ankara einen „bedauerlichen Charakter attestiert“. Die türkische Regierung ist sich derweil keiner Schuld bewusst und weist die Kritik als ungerechtfertigt zurück. Die Sitzordnung sei „in Übereinstimmung mit dem Vorschlag der EU“ festgelegt worden, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu.

Update vom 9. April, 6.39 Uhr: „SofaGate“ zieht Kreise. Nun hat Italiens Regierungschef Mario Draghi den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als „Diktator“ bezeichnet - wegen dessen kürzlichen Umgangs mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (siehe Erstmeldung).

„Ich war sehr betrübt über die Demütigung, welche die Kommissionspräsidentin wegen dieser - nennen wir sie beim Namen - Diktatoren erleiden musste“, sagte der Ministerpräsident am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Rom. Die EU müsse aber mit Staatschefs wie Erdogan zusammenarbeiten.

„SofaGate“ um Erdogan: Cavusoglu nennt Draghi-Kommentar „hässlich und unvernünftig“

Ankara reagierte prompt. Das türkische Außenministerium bestellte Italiens Botschafter ein. Außenminister Mevlüt Cavusoglu nannte die Kommentare Draghis „hässlich und unvernünftig“ und twitterte: „Wir verurteilen diese inakzeptablen, populistischen Bemerkungen energisch (...).“

Die „SofaGate“-Affäre erhitzt seit Tagen die Gemüter. Der Vorfall löste unter anderem Vorwürfe der Frauenfeindlichkeit an die Adresse der türkischen Regierung aus.

Eklat auf Erdogan-Treffen - Video zeigt verdatterte Reaktion Von der Leyens auf Sitzordnung

Update vom 8. April, 14.18 Uhr: Die beiden größten Fraktionen im Europaparlament haben eine Plenardebatte über die „SofaGate“-Affäre - den Umgang mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in der Türkei - verlangt. Die konservative EVP und die Sozialdemokraten forderten am Donnerstag, dass von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel dazu Ende April ins Parlament geladen werden. Die „SofaGate“ getaufte Affäre löste massive Kritik und Vorwürfe der Frauenfeindlichkeit gegenüber der türkischen Regierung aus.

Die Beziehungen zur Türkei seien „wesentlich“, erklärte die sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Iratxe García Pérez. „Aber die Einheit der EU und der Respekt von Menschenrechten einschließlich Frauenrechten ist auch zentral.“ Von der Leyen und Michel müssten deshalb im Parlament klarstellen, „was passiert ist und wie die Institutionen zu respektieren sind“. Aufschluss müsse die Debatte mit den beiden Präsidenten auch darüber geben, was Erdogan in Ankara angeboten worden sei, erklärte EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU). Die EVP-Fraktion sei „äußerst besorgt“, dass es Zusagen zur Visa-Erleichterungen für türkische Bürger oder zum Ausbau der Zollunion gegeben haben könnte, „ohne konkrete und dauerhafte Änderungen der türkischen Politik im östlichen Mittelmeer, gegenüber Zypern und unseren Außengrenzen“.

„SofaGate“: Türkei wehrt sich gegen Vorwürfe nach von der Leyen Besuch bei Erdogan

Update vom 8. April, 11.42 Uhr: Die Türkei hat sich gegen die Vorwürfe aus Brüssel, aufgrund der Sitzordnung, verteidigt. Es habe „ungerechte Anschuldigungen gegenüber der Türkei gegeben“, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Donnerstag. „Es wurde entsprechend der Anregungen der EU-Seite so eine Sitzordnung aufgestellt. Punkt.“ Das Treffen sei nach internationalen Standards und „türkischer Gastfreundschaft“ abgehalten worden.

Die EU-Kommission kritisierte nach dem Treffen in Ankara die Sitzordnung. Ein Sprecher sagte, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aus ihrer Sicht auf Augenhöhe mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel hätte platziert werden müssen. Auch von der Leyens Sprecher betonte, dass sich Vorfälle wie der im Präsidentenpalast in Ankara nicht wiederholen sollten. Michel erklärte die Sitzordnung mit einer engen Auslegung von protokollarischen Regeln durch die Türkei, betonte aber, dass er die Situation ebenfalls als bedauerlich empfunden habe.

Update vom 8. April, 9.34 Uhr: In den sozialen Medien fragte man sich, wie es zu der ungleichen Sitzverteilung kommen konnte. Ein Video dokumentiert dort die kuriose Situation. Nach den Gesprächen wollten von der Leyen, Erdogan und Michel in einem anderen Zimmer Platz nehmen. Jedoch standen dort nur zwei Stühle, wie das Video in den sozialen Medien zeigt. Der türkische Präsident Erdogan und EU-Ratspräsident Michel nahmen dort Platz und ließen von der Leyen offenbar stehen. Die EU-Kommissionspräsidentin reagierte mit einem „Ähm“ auf die ungewöhnliche Szene und nahm schließlich auf einem Sofa am Rand Platz, zusammen mit dem türkischen Außenminister.

Erstmeldung vom 7. April, 14.07 Uhr:

Ankara - Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan* und EU-Spitzen haben sich in Ankara getroffen. Ein heikles Gespräch. Ein Neustart einer Beziehung steht im Raum. Es geht auch um viel Geld. Finanzhilfen für geflüchtete aus Syrien in der Türkei. Weitere Konflikte sollen abgewendet werden.

Türkei: Sitzordnung bei Erdogan - Präsidentin auf dem Sofa

Die Sitzordnung bei dem Treffen mit Erdogan sorgte in den sozialen Medien für Irritationen und Kritik. Während für EU-Ratspräsident Charles Michel ein großer Stuhl neben dem türkischen Staatschef reserviert war, bekam EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei dem Gespräch am Dienstag einen Platz auf einem Sofa in einiger Entfernung von Erdogan und Michel zugewiesen. Dort saß sie dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu gegenüber, der ebenfalls an dem Gespräch teilnahm.

Unter anderem auf Twitter wurde danach daran erinnert, dass der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei Treffen mit Erdogan auf Augenhöhe sitzen durfte. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir kommentierte: „Solche Zeichen setzen autoritäre Unterdrücker & Machos wie #Putin, #Erdogan & Co bewusst. (...) Kann man sich gefallen lassen, muss man nicht. Respekt bekommt man so jedenfalls nicht bei den Herren!“

Türkei: Treffen auf Augenhöhe - EU verweist auf protokollarische Rangordnung

In der EU-Kommission wurde unterdessen darauf verwiesen, dass von der Leyen das Treffen mit Erdogan genutzt habe, um mit ihm eine lange und sehr offene Diskussion über Frauenrechte und den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen und Kinder vor Gewalt zu führen. Offene Kritik an der Sitzordnung gab es zunächst allerdings nicht. Als ein Grund gilt, dass Michel als Präsident des Europäischen Rates in der protokollarischen Rangordnung über der EU-Kommissionspräsidentin steht.

Bei dem Treffen mit Erdogan wollten die EU-Spitzen am Dienstag einen möglichen Ausbau der Beziehungen zur Türkei ausloten. Hintergrund sind Beschlüsse des EU-Gipfels vor eineinhalb Wochen. Bei ihm hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, die Beziehungen zur Türkei schrittweise wieder auszubauen. Mit dem Beschluss will die EU die Eskalation weiterer Konflikte abwenden.

In der Migrationspolitik und besonders im Rahmen des 2016 abgeschlossenen Migrationsdeals mit Ankara zählt die EU unter anderem auf die Türkei als Partnerin, um Geflüchtete an der Weiterreise in Richtung Europa zu hindern. Im vergangenen Jahr hatte sich zudem der Streit zwischen Griechenland und der Türkei wegen umstrittener Erdgasforschung Ankaras im östlichen Mittelmeer gefährlich zugespitzt. Die EU hatte der Türkei im Dezember scharfe Sanktionen angedroht. Ankara beendete später die umstrittenen Erdgaserkundungen und signalisierte Gesprächsbereitschaft. (dpa/afp) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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