Parlamentswahl in Tschechien: Babis-Partei verliert - Oppositionsbündnisse überraschen

Die zweitägige Parlamentswahl in Tschechien endete am Samstag. Die Oppositionsbündnisse überraschen. Spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz.
Update vom 9. Oktober, 20.09 Uhr: Die populistische Partei ANO von Ministerpräsident Andrej Babis hat die Parlamentswahl in Tschechien laut vorläufigem Ergebnis knapp verloren. Wie die Wahlkommission nach Auszählung von mehr als 99,9 Prozent der Stimmzettel am Samstagabend mitteilte, kam das konservative Oppositionsbündnis zusammen auf 27,78 Prozent der Stimmen, Babis‘ ANO dagegen auf 27,14 Prozent. Zwischenzeitlich hatte die ANO vorne gelegen, nach Auszählung der Wahllokale in den Großstädten überholte schließlich das Bündnis zusammen die Regierungspartei.
Parlamentswahl in Tschechien: Spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen
Update vom 9. Oktober, 18.45 Uhr: Bei der Parlamentswahl in Tschechien haben zwei Oppositionsbündnisse überraschend eine Mehrheit erzielt. Sie kamen am Samstag nach Auszählung von knapp 99 Prozent der abgegebenen Stimmen gemeinsam auf 108 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus. Das konservative Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) liegt nach dem Zwischenstand bei 27,6 Prozent der Stimmen, die Allianz von Piraten- und Bürgermeisterpartei bei 15,5 Prozent. „Der Wechsel ist da, wir sind der Wechsel“, sagte Spolu-Spitzenkandidat Petr Fiala.
Die ANO des Regierungschefs Andrej Babis liefert sich bis zum Schluss ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen mit Spolu um den ersten Platz, liegt aber nach den letzten Zahlen nur bei 27,3 Prozent. Babis war auf den letzten Wahlkampfmetern von einer Finanzaffäre eingeholt worden. Nach Recherchen eines internationalen Journalistennetzwerks soll er 2009 über ausländische Briefkastenfirmen Immobilien in Frankreich gekauft habenv (siehe Erstmeldung).
Wahl in Tschechien: Opposition holt überraschend Mehrheit
Nach der Wahl droht eine Pattsituation. Präsident Milos Zeman hat in der Vergangenheit mehrmals betont, er werde keinem Wahlbündnis, sondern der stärksten Einzelpartei den Regierungsauftrag geben. Das wäre in jedem Fall die populistische ANO von Babis, da Spolu aus den drei Parteien ODS, TOP09 und KDU-CSL besteht. Der 77-jährige Zeman macht aus seiner Unterstützung für Babis keinen Hehl.
Update vom 9. Oktober, 17.02 Uhr: Bei der Parlamentswahl in Tschechien hat die populistische Partei ANO von Ministerpräsident Andrej Babis Teilergebnissen zufolge die meisten Stimmen erhalten, eine Parlamentsmehrheit aber verpasst. Wie die Wahlkommission am Samstag nach Auszählung von rund 80 Prozent der Stimmzettel mitteilte, kam die ANO auf 28,40 Prozent der Stimmen und damit 75 Sitze im 200-köpfigen Parlament. Die Kommunisten verpassten demnach den Einzug ins Parlament.
Parlamentswahl in Tschechien: Babis vorne
Update vom 9. Oktober, 16.15 Uhr: Bei der Parlamentswahl in Tschechien liegt der populistische Regierungschef Andrej Babis nach einem Zwischenstand nun vorne. Mehr als zwei Fünftel der Wahlbezirke wurden bereits ausgezählt. Diesen Auszählungen folgend liegt die Partei ANO des Multimilliardärs Babis bei knapp 30 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sie würde basierend auf diesen Auszählungen wieder stärkste Kraft werden.
Aktuelle Auszählungen: Babis liegt vorne
Auf dem zweiten Platz folgt nach dem Zwischenstand das konservative Oppositionsbündnis Spolu (Gemeinsam) mit rund 24 Prozent, auf dem dritten die Allianz aus Piraten- und Bürgermeisterpartei mit knapp 14 Prozent. Diese Zahlen können sich im Laufe der Auszählung allerdings noch verschieben. Es handelt sich nicht um Hochrechnungen. Die Kommunisten, die bisher die Regierung toleriert hatten, drohten an der Fünfprozenthürde zu scheitern. Es zeichnete sich eine höhere Beteiligung als bei der letzten Wahl vor vier Jahren ab.
Erstmeldung vom 9. Oktober, 15.30 Uhr: Prag - Tschechien* hat ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Die zweitägige Parlamentswahl zum Abgeordnetenhaus begann am Freitag (8. Oktober) um 14 Uhr und endete am Samstag (9. Oktober) ebenfalls um 14 Uhr. Mehr als acht Millionen Wahlberechtigte durften bei der zweitägigen Wahl ihre Stimme abgeben. Das Ergebnis wird für Samstagabend erwartet. Am ersten Wahltag war eine gute Beteiligung festzustellen. In Prag bildeten sich zeitweise Warteschlangen vor den Wahllokalen und auch im Ausland wählten Tschechen in Botschaften und Generalkonsulaten.
Skandal um Regierungschef Babis: Enthüllungen „Pandora Papers“
Die letzten Umfragen vor der Wahl sagten einen Sieg für den populistischen Regierungschef und Multimilliardär Andrej Babis voraus. Aktuell muss jedoch offen bleiben, ob die Enthüllungen im Zusammenhang der „Pandora Papers“* Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben werden. Recherchen eines Journalisten-Netzwerkes haben gezeigt, dass Babis 2009 über Briefkastenfirmen für 15 Millionen Euro ein Landschloss in Frankreich gekauft haben soll. Babis wies die Vorwürfe der Geldwäsche und Steuerhinterziehung bisher entschieden zurück.
Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die Enthüllungen wenig Einfluss auf das Wahlverhalten haben werden. Der Soziologe Jan Herzmann vermutet, dass die Wähler von Babsi Unschuld überzeugt sind und Babis mit seiner populistischen ANO-Bewegung erneut zur stärksten Kraft wird. Regierungschef Babis steht bereits seit Jahren im Verdacht*, mit seinem Unternehmen Agrofert unrechtmäßig EU-Subventionen in Millionenhöhe eingestrichen zu haben. Zu dieser Angelegenheit ermittelt die tschechische Staatsanwaltschaft. Die EU wirft ihm außerdem einen Interessenkonflikt vor, weil sein Unternehmen von EU-Hilfen und seiner Politik im Allgemeinen profitiert. Diese Anschuldigungen haben Babis bisher jedoch kaum geschadet.
Parlamentswahl in Tschechien: Zwei Parteienbündnisse gegen Babis
Babis inszenierte sich am Freitag beim Auftakt der Wahl als Garant für Stabilität. Bei seiner Stimmabgabe in Lovosice sagte er: „Wir sollten die Regierung jetzt nicht austauschen.“ Es habe sich vor der Wahl zwei Parteienbündnisse explizit gegen Babis formiert: Ein linksliberales unter Führung der Piratenpartei und ein konservativ-christliches aus drei Parteien. Auch die rechtsextreme SPD wird Umfragen zufolge sicher ins Parlament einziehen. Knapp könnte es hingegen für die Sozialdemokraten werden, mit denen Babis bislang eine Minderheitsregierung bildete. Auch die Kommunistische Partei könnte zum ersten Mal an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Insgesamt 200 Sitze werden nach der Wahl im Abgeordnetenhaus neu besetzt. Das Abgeordnetenhaus ist das wichtigere der beiden Parlamentskammern. Nach der Wahl erteilt der Präsident Milos Zeman den Auftrag zur Regierungsbildung. Dessen Gesundheitszustand ist aktuell allerdings unklar, was wiederum die Wahl überschattete. Der 77-Jährige war zuletzt gezwungen, zuletzt alle öffentlichen Termine absagen. Bei der letzten Parlamentswahl vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 61 Prozent. In Tschechien wird traditionell an zwei Tagen gewählt, weil viele Menschen am Wochenende aufs Land fahren. Anders als in Deutschland gibt es keine Möglichkeit zur Briefwahl. (dpa/afp/at) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.