Wahlkampf in Tschechien: Land im Umbruch? Premier Babis setzt auf Konfrontation

Die tschechische Piratenpartei hat die Favoritenrolle bei den kommenden Parlamentswahlen in Tschechien eingebüßt. Inzwischen führt die ANO des amtierenden Premiers Andrej Babiš in den Umfragen.
- Andrej Babiš führt mit der ANO in den Umfragen zur Parlamentswahl in Tschechien.
Die tschechische Piratenpartei ist auf den dritten Platz hinter der Wahlallianz der Konservativen abgerutscht.
Babiš wird es trotz des Regierungsauftrags schwer haben, eine Regierung zu bilden.
Eine Zusammenarbeit der ANO mit der rechten SPD ist wahrscheinlich.
Am zweiten Oktoberwochenende wird in Tschechien* gewählt. Noch im Winter, als Tschechien besonders hart von der dritten Welle der Corona*-Pandemie getroffen wurde, sah es so aus, als ob Premierminister Andrej Babiš keine Chancen auf die Wiederwahl hätte. Das Blatt wendete sich aber im Juni. Seitdem führt die Partei des Regierungschefs ANO in den Umfragen und erreicht laut Kantar bis zu 24,5 %.
Probleme bei den Piraten
Während die Piratenpartei in Deutschland ihre besten Jahre schon länger hinter sich hat, gewannen die tschechischen Piraten gerade in letzter Zeit an Bedeutung. Bei den Wahlen 2013 lag die Partei noch bei unter 3 %. Im Jahr 2017 erreichte sie schon 10,8 % der Wählerstimmen. Auf ihrem Umfragehöhepunkt Anfang April wollten 28 % der Befragten ihre Stimme der Wahlallianz „Piraten und Bürgermeister“ (PirSTAN) geben. Relativ konstant geblieben sind die Umfragen der konservativen Wahlallianz SPOLU mit 23 %.
Die Piraten verdanken ihren Aufstieg vor allem der Tatsache, dass viele Tschechen die Intransparenz und die Seilschaften zwischen Politikern und Oligarchen leid sind. Kein anderer als Babiš* verkörpert diesen Missstand besonders deutlich. Der Chemie- und Medienunternehmer hat nicht nur in der Vergangenheit mit der kommunistischen Staatssicherheit gemeinsame Sache gemacht, sondern wurde wiederholt der Korruption bezichtigt. Sein Agrarkonzern stand mehrfach im Verdacht unrechtmäßige Förderungen erhalten zu haben.
Die Piraten stehen mit ihren Bekenntnissen zur absoluten finanziellen Transparenz und der Unabhängigkeit von den Oligarchien hoch in der Wählergunst. Andererseits stoßen sie auch wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens und Auftretens einige Wählerinnen und Wähler ab. Gerade die Führungspersönlichkeiten der jungen Partei würden wohl besser in eine Heavy-Metal-Band als ins Parlament passen. Langhaarig, bevorzugt ohne Krawatte und auch mal in Sneakers zur Talkshow, so kennt man die Jungpolitiker um den Parteichef Ivan Bartoš. Die Piraten galten als frisch, unabhängig und unverbraucht, was sich in der Opposition gut bewährt hat. In der heißen Wahlkampfphase, als es um die mögliche Regierungsverantwortung ging, wurden diese Attribute zum größten Hindernis. Die Partei hat kaum Personal und es fehlt an erfahrenen Politikern, die wichtige Ministerialposten besetzen könnten.
Der Populist Andrej Babiš setzt auf Konfrontation
Babiš, der das Amt des Premierministers im Dezember 2017 angetreten hat, ist ein geschickter Politiker, der einer Minderheitsregierung vorsteht. Sein Wahlkampf ist diesmal betont konfrontativ. Während die Piraten für die Homoehe und den Beitritt zur Währungsunion sind, geht Babiš in die populistische Offensive: „Wir wollen den Euro nicht, und solange ich Premierminister bin, werden wir niemals einen einzigen illegalen Einwanderer aufnehmen”, sagte er zum Auftakt der Wahlkampagne seiner ANO. Später kündigte er noch eine Rentenerhöhung an.
Auf eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer kann die ANO auch mit steigenden Umfragewerten kaum hoffen. Eine mögliche Koalition aus Piraten und Konservativen könnte ihn mit Leichtigkeit überholen. Dazu wird es aber voraussichtlich nicht kommen, denn Babiš hat einen mächtigen Verbündeten. Der ebenfalls dem Populismus zugeneigte Staatspräsident Miloš Zeman hält nach eigenen Aussagen von den Wahlallianzen nicht viel. Er hat sie sogar als Betrug an den Wählern bezeichnet. Daher kündigte er an, dass er nach der Wahl ausschließlich die stärkste Einzelpartei mit der Regierungsbildung beauftragen wird und diese wird aller Voraussicht nach die ANO sein. Babiš dürfte dann Regierungschef von Zemans Gnaden werden. Den amtierenden Premierminister dürfte das wenig stören, aber einen Teil seine Anhänger schon, meint Szczepan Czarnecki vom Institute of Central Europe.
„Der Präsident ist auch ein Problem für den Ministerpräsidenten, weil die ANO-Wähler bezüglich des Unterstützung des Präsidenten geteilter Meinung sind. Unter den ANO-Wählern gibt es sowohl Sympathisanten des Präsidenten als auch Gegner, die westlich orientiert sind”, betont Czarnecki.
Brenzlig werden könnte es auch, wenn der aktuelle Koalitionspartner der ANO, die sozialdemokratische Partei ČSSD, es nicht ins Parlament schaffen sollte. Nach den Umfragen erreichen die Sozialdemokraten gerade einmal 4,5 %, 2017 waren es noch über 7 %. Bei den Kommunisten von der KSČM sieht es auch nicht besser aus. Dabei war die KSČM mit ihrer Unterstützung für die Minderheitsregierung die wichtige Stütze der Regierung Babiš. Die rechte Partei (SPD) von Tomio Okamura hat stattdessen Umfragewerte von bis zu 11,5 % erreicht, was sie zu einem wichtigen Faktor in der nächsten tschechischen Abgeordnetenkammer werden lässt. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA