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Tschechiens neue Regierung erlebt schweren Start – doch bei Atomenergie herrscht Einigkeit

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Von: Aleksandra Fedorska

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Milos Zeman (vorne, M), Präsident von Tschechien, und die Minister des neuen tschechischen Fünf-Parteien-Kabinetts unter der Leitung von Ministerpräsident Fiala, zu dem neben Fialas Bürgerdemokraten (ODS) auch Christdemokraten (KDU-CSL), Bürgermeisterpartei (STAN), Piratenpartei und die bürgerliche Gruppierung TOP09 angehören, kommen im Präsidentenpalast für ein Foto zusammen. Mitten in der vierten Corona-Welle hat in Tschechien eine neue liberalkonservative Regierung die Amtsgeschäfte übernommen. Präsident Zeman vereidigte die Minister des Kabinetts unter Regierungschef Fiala auf Schloss Lany bei Prag.
Milos Zeman (vorne, M), Präsident von Tschechien, und die Minister des neuen tschechischen Fünf-Parteien-Kabinetts unter der Leitung von Ministerpräsident Fiala, zu dem neben Fialas Bürgerdemokraten (ODS) auch Christdemokraten (KDU-CSL), Bürgermeisterpartei (STAN), Piratenpartei und die bürgerliche Gruppierung TOP09 angehören, kommen im Präsidentenpalast für ein Foto zusammen. Mitten in der vierten Corona-Welle hat in Tschechien eine neue liberalkonservative Regierung die Amtsgeschäfte übernommen. Präsident Zeman vereidigte die Minister des Kabinetts unter Regierungschef Fiala auf Schloss Lany bei Prag. © Simanek Vit/dpa

Tschechiens Regierungskoalition ist mit der Corona-Krise, galoppierenden Preisentwicklung und den Problemen in der Energiepolitik konfrontiert. Dabei kommt es zu Spannungen mit Präsident Zeman.

Prag – Mit einem Präsidenten wie Miloš Zeman wird es die neue tschechische Regierung von Premierminister Petr Fiala nicht leicht haben. Eine Kostprobe gab es schon, denn Zeman wollte zunächst den neuen Außenminister Jan Lipavsky nicht akzeptieren, gab aber schließlich nach. Die neue Regierung konnte dann doch am 17. Dezember 2021 vereidigt werden.

Die Kontroverse um Jan Lipavsky, einem Politiker aus den Reihen der tschechischen Piratenpartei, betraf auch seine Haltung zu den Sudentendeutschen. Lipavsky soll im Jahr 2019 den Vorschlag von Horst Seehofer begrüßt haben, den Kongress der Sudetendeutschen alljährlich in Tschechien abzuhalten. Zeman beanstandete darüber hinaus, dass Lipavsky äußerst kritisch gegenüber China* und Russland* ist. Eine weitere Annäherung an Taiwan wäre in dem Zusammenhang möglich. Lipavsky hat auch eine distanzierte und kritische Haltung gegenüber den Regierungen in Budapest und Warschau eingenommen. Schließlich gehört der tschechische Außenminister auch zum Kreis jener Politiker, die das Vorgehen der israelischen Behörden in der Palästinenserfrage verurteilen.

Tschechien: Neue Regierung beendet Corona-Ausnahmezustand – und geht in Konfrontation bei Klimapolitik

Nachdem die neue Regierung die Amtsgeschäfte übernommen hatte, beschloss sie, den Ausnahmezustand, der vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie eingeführt wurde, nicht weiter zu verlängern. Ansonsten bleibt der Umgang mit dem Virus auch in nächster Zeit ein wichtiges Thema für die tschechische Regierung. „Wir stehen vor riesigen Problemen, sei es Covid, Energiepreise, steigende Preise, Inflation und alles, was damit einhergeht“, sagte Fiala den tschechischen Medien.

Wenn es um die Klimapolitik geht, wird es die neue Umweltministerin Anna Hubáčková auch mit dem Staatspräsidenten aufnehmen müssen, denn Zeman hält nicht viel von der europäischen Klimaschutzpolitik. Hubáčková unterstützt hingegen grundsätzlich die klimapolitischen Ziele Brüssels. „Das Fit for 55-Paket ist sehr wichtig und die Tschechische Republik unterstützt ihr grundlegendes Ziel, die Emissionen bis 2030 zu reduzieren. Aber wir müssen auch die sozialen Auswirkungen überwachen und sicherstellen, dass einige Vorschläge zu Gebäuden und Verkehr nicht zu einem wesentlich höheren Armutsrisiko führen“, sagte Hubáčková.

EU: Aus für Verbrennungsmotoren – Automobilindustrie hat für Tschechien zentrale Bedeutung

Gleich aus mehreren Ministerien kamen Einwände, als es in Brüssel um das Aus für Verbrennermotoren bei Neuwagen ging. Angesichts der Bedeutung der Automobilindustrie für die tschechische Wirtschaft ist dies ein sensibles Thema in Prag. Es muss damit gerechnet werden, dass sich Tschechien auch künftig gegen solche Vorhaben positionieren wird. Der europäischen Energie- und Klimapolitik werden in Tschechien vor allem die enorm gestiegenen Preise angelastet.

„Die Regierungen von Petr Fiala und Andrej Babiš tragen die volle Verantwortung für steigende Preise und können sich aus dem Green Deal und auch aus dem Emissionshandelssystem zurückziehen, das zu einem Werkzeug für Spekulanten geworden ist“, meint der Vorsitzende der rechtsnationalen Oppositionspartei SPD, Tomio Okamura.

Die tschechischen Verbraucher haben aktuell mit einer Inflationsrate von rund 6Prozent zu kämpfen. Das ist noch relativ wenig, verglichen mit einer Region, wo die Inflation sogar 8 Prozent übersteigen kann, wie im Baltikum. Die tschechische Notenbank hatte, wie kaum eine andere Währungsinstitution in Mittelosteuropa, die Leitzinsen schnell auf 3,75 Prozent angehoben.

Ausbau der Kernenergie: Parteiübergreifende Unterstützung in Tschechien – Keine Energiewende nach deutschem Vorbild

Ivan Bartoš, der Parteivorsitzende der Piratenpartei, ist in der neuen Regierung stellvertretender Ministerpräsident und Minister für regionale Entwicklung und Digitalisierung geworden. Er kritisierte den Präsidenten unter anderem dafür, Desinformationen über ein etwaiges Gasheizungsverbot nach 2030 zu verbreiten. Auch die Vorsitzende der Koalitionspartei Top 09, Markéta Pekarová Adamová, meldete sich kritisch zu Wort. „Auch in diesem Jahr war seine Weihnachtsansprache keine Botschaft, sondern eine Liste seiner Ansichten“, meinte sie an den tschechischen Präsidenten gerichtet.

Die Kritik an der starren Haltung des Präsidenten heißt jedoch nicht, dass es nicht in einzelnen Punkten Übereinstimmungen zwischen dem Staatsoberhaupt und der Regierung gibt. Parteiübergreifend ist die Unterstützung des Ausbaus der Kernkraft in Tschechien groß. Die Kernkraft ist ein zentrales Instrument der nationalen Klimapolitik. Eine Energiewende nach deutschem Vorbild wird dabei von keinem der fünf Koalitionspartner (ODS, STAN, KDU-ČSL, Piráti, TOP 09) angestrebt. (Aleksandra Fedorska) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA).

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