„Besorgniserregende Situation“: Chinesische und russische Marineschiffe vor japanischer Inselgruppe gesichtet
Japan will „entschlossen“ reagieren: Zum ersten Mal seit vier Jahren wurde ein Schiff der chinesischen Marine im Gebiet der umstrittenen Senkaku-Inseln gesichtet.
München/Tokio/Peking – Japan spricht von einer „sehr besorgniserregenden Situation“: Am Montagmorgen wurden eine chinesische Fregatte und ein russisches Kriegsschiff vor der Küste der Senkaku-Inseln gesichtet, wie die Regierung in Tokio mitteilte. Die Inselgruppe im Ostchinesischen Meer wird von Japan kontrolliert, aber auch von China beansprucht.
Auf Chinesisch werden die unbewohnten Inseln „Diaoyu“ genannt. „Wir haben ernste Bedenken geäußert und auf diplomatischem Wege bei der chinesischen Seite Protest eingelegt und sie aufgefordert, eine Wiederholung ähnlicher Vorfälle zu verhindern“, sagte der stellvertretende japanische Kabinettschef Seiji Kihara. Die Inseln seien „sowohl aus historischer als auch aus völkerrechtlicher Sicht japanisches Hoheitsgebiet“. Japan werde „entschlossen, aber ruhig“ auf ähnliche Schritte reagieren, so Kihara weiter.

Russisches Schiff dringt in japanischen Gewässer ein - Chinesisches Schiff verfolgt es
Japanische Medien berichteten unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Tokio, dass zunächst das russische Schiff in die japanischen Gewässer eingedrungen sei, offenbar, um dort Schutz vor einem Taifun zu suchen. Dabei sei es von dem chinesischen Schiff verfolgt worden. Ein Sprecher des japanischen Verteidigungsministeriums vermutete, das chinesische Schiff habe den Anschein erwecken wollen, als würde es in seinem eigenen Territorium patrouillieren, um so den territorialen Anspruch Pekings auf die Senkaku-Inseln zu demonstrieren.
Das Vorgehen, so der Sprecher, habe „einseitig die Spannungen erhöht“. Wie der japanische Fernsehsender NHK berichtete, handelt es sich bei dem Vorfall vom Montag um das erste Mal seit 2018, dass ein Schiff der chinesischen Marine in der Nähe der Senkaku-Inseln gesichtet wurde. Schiffe der Küstenwache würden hingegen häufiger in dem Gebiet beobachtet. Japan hatte erst kürzlich gegen Erkundungsarbeiten an einem möglichen Gasfeld in der Nähe der Inseln durch China demonstriert.
China beansprucht die umstrittenen Inseln für sich: „Diaoyu-Inseln sind Chinas ureigenes Territorium“
In Peking wies das Außenministerium die Anschuldigungen zurück. „Die Diaoyu-Inseln und ihre Nebeninseln sind Chinas ureigenes Territorium“, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian. „Chinas Schiffe operieren rechtmäßig in den nahen Gewässern, sodass Japan kein Recht hat, etwas zu sagen.“ Auf die Frage eines japanischen Journalisten, ob es sich um eine gemeinsame Aktion von Russland und China gehandelt habe, sagte Zhao: „Das ist Ihre persönliche Interpretation.“
Auch anderswo in der Region nahmen die Spannungen zuletzt zu. Ende Juni wurden drei chinesische Kriegsschiffe gesichtet, die auf einer ungewöhnlichen Route südöstlich der japanischen Präfektur Chiba unterwegs waren – nur Tage, nachdem sieben russische Schiffe nahe gelegene Gewässer durchquert hatten. Im Oktober 2021 hatten zudem zehn russische und chinesische Schiffe gemeinsam einmal Japan umrundet. Auch in der Luft kam es in der Gegend immer wieder zu Zwischenfällen. So hatte Japan im Mai mehrere Kampfjets in die Luft geschickt, um chinesische und russische Bomber aus Gewässern in der Nähe des Inselstaats zu vertreiben.

China provoziert Taiwan in der Luft – Vorboten einer Invasion?
Zudem häufen sich seit Jahresbeginn die chinesischen Provokationen gegenüber Taiwan. Peking betrachtet den demokratisch regierten Inselstaat als Teil des eigenen Staatsgebiets und droht mit einer Invasion des Landes. Seit Anfang des Jahres drangen chinesische Kampfjets mehr als 500-mal in die taiwanische Luftverteidigungszone (Air Defense Identification Zone/ADIZ) ein, zuletzt im Juni.
Die ADIZ ist nicht der Luftraum über Staatsgebiet und Hoheitsgewässern eines Landes, sondern bezeichnet eine Luftraumüberwachungszone, in der sich durchquerende Flugzeuge identifizieren und regelmäßig ihre Koordinaten bekannt geben müssen. Staaten nutzen die ADIZ als eine Art Pufferzone, sie ist aber nicht völkerrechtlich als Hoheitsgebiet geschützt. Bei dem Vorfall im Juni waren 29 chinesische Jets in die taiwanische ADIZ eingedrungen, bei einem ähnlichen Vorfall Ende Mai waren es 30 Kampfflugzeuge.
Mitte Juni hatte die chinesische Regierung zudem die Sprachregelung in Bezug auf die Taiwanstraße geändert. Die Meeresenge trennt die Volksrepublik China von Taiwan. Es handle sich bei dem Gebiet nicht um „internationale Gewässer“, so Peking, sondern um ausschließlich chinesisches Seegebiet; schließlich sei Taiwan ein Teil der Volksrepublik. Entsprechend gebe es auch keine taiwanischen Hoheitsgebiete, die verletzt werden könnten. Beobachter vermuten, dass die neue Sprachregelung auch dazu dienen könnte, eine mögliche Invasion Taiwans nicht als Krieg zu bezeichnen, sondern als eine Art militärischer Spezialoperation.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte unlängst neue Pläne genehmigt, die es den Streitkräften des Landes erlauben, im Ausland militärische Operationen durchzuführen, sofern es sich dabei um Operationen handelt, „die nicht Krieg sind“. Eine Definition, die Peking auch im Falle eines Angriffs auf Taiwan bemühen könnte. (sh)