Putin in Syrien geschwächt: Jetzt wittert Erdogan seine Chance - Provoziert er Konflikt mit der Nato?
Um Syrien geht es beim Treffen von Putin, Erdogan und Irans Präsident Raisi. Erdogan könnte den Gipfel für eigene Machtinteressen nutzen - und dabei einen Nachteil Putins ausnutzen.
Teheran - Der Krieg in Syrien dominierte jahrelang die Schlagzeilen. Rund 6,7 Millionen Syrer haben ihr Land verlassen, in dem seit 2011 Bürgerkrieg herrscht. Doch seit einiger Zeit ist es still geworden um das Land im Nahen Osten - erst recht, seit mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wieder Krieg in Europa herrscht.
Doch am Dienstag (19. Juni) ist die Lage in Syrien das Hauptthema beim Treffen dreier mächtiger Staatsmänner: Russlands Präsident Wladimir Putin, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Irans Präsident Ebrahim Raisi kommen in Teheran zusammen. Vor allem Erdogan könnte dabei versuchen, seine eigenen Interessen durchzudrücken - und dabei die Tatsache ausnutzen, dass Putins Einfluss in Syrien wegen des Ukraine-Kriegs deutlich geschwächt ist.

Putin, Erdogan und Raisi treffen sich - alle drei Staaten haben eigene Interessen in Syrien
Alle drei Staaten sind in Syrien militärisch vertreten: Putin und Raisi unterstützen den syrischen Präsidenten Assad, der die meisten Teile des Landes mit harter Hand kontrolliert. Ohne militärische Hilfe aus Russland und dem Iran könnte Assad sich nicht an der Macht halten, heißt es in einem Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung. Erdogan dagegen steht auf Seite einiger Rebellengruppen. Die drei Mächte arbeiten seit 2017 im so genannten Astana-Format zusammen - offiziell im Sinne einer Friedenslösung für Syrien, jedoch auch aufgrund eigener geostrategischer Interessen.
Und diese Interessen will Erdogan beim Krisengipfel am Dienstag wohl durchdrücken. Das erwarten zumindest Experten. Seit einigen Wochen kündigt der türkische Präsident eine neue Offensive in Syrien an - mit dem Ziel, die syrisch-kurdischen Organisation YPG in Nordsyrien zurückzudrängen. Denn diese sieht Erdogan als Unterstützer der PKK und damit als Bedrohung für sein Land.
Russland und Iran warnen Erdogan vor Militäraktion in Syrien
Putin und Raisi hatten Erdogan jedoch zuletzt vor einer neuen Militäraktion in Syrien gewarnt: Dies könne zu einer „gefährlichen Verschlimmerung der Lage in Syrien“ führen, hieß es zuletzt von Russlands Regierung. Und das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, warnte die Türkei ebenfalls vor einer Offensive: Diese würde „definitiv schädlich sein für Syrien, die Türkei und die Region“, sagte Chamenei laut einer Erklärung vom Dienstag, 19. Juli.
Doch Erdogan könnte dennoch die Gunst der Stunde nutzen: Putin ist seit dem Ukraine-Krieg in Syrien geschwächt ist, viele seiner Soldaten und Ressourcen sind in der Ukraine gebunden. Auch Söldner der privaten Sicherheitsfirma Wagner und syrische Söldner soll Putin in die Ukraine angezogen haben. Hinzu kommen die internationalen Sanktionen gegen Russland. Die Machtverhältnisse in Syrien scheinen sich verschoben zu haben.
Erdogan hat noch keine Sanktionen gegen Russland erlassen - das könnte er als Druckmittel nutzen
Erdogan könnte dieses Machtvakuum geschickt einsetzen, heißt es von Experten, und seine Offensive in Nordsyrien bei Putin und Raisi trotz deren Widerstand durchsetzen. Die Türkei hoffe auf „grünes Licht“ aus Russland und dem Iran für den Militäreinsatz, meint der Türkei-Experte Sinan Ülgen vom Carnegie-Institut: „Die Türkei will den Luftraum in der Region nutzen, der aber von Russland kontrolliert wird.“

Ein mögliches Druckmittel Erdogans gegen Putin könnte auch sein, dass es für Russland zentral ist, dass die Türkei sich nicht auch noch den westlichen Sanktionen anschließt. Erdogan verurteilt zwar den Ukraine-Krieg und liefert Waffen an die Ukraine, hat bisher aber keine Sanktionen erlassen. Stattdessen tritt er in dem Konflikt als Vermittler auf, wie zum Beispiel vergangene Woche bei den Ukraine-Russland-Verhandlungen in Istanbul über durch den Krieg blockierte Getreidelieferungen.
Erdogan will Militäreinsatz in Syrien - und provoziert damit die Nato
Erdogan würde mit einem militärischen Eingreifen in Syrien gegen die YPG jedoch auch Unfrieden in der Nato stiften, die angesichts des Ukraine-Kriegs eigentlich auf maximale Einigkeit bedacht ist. Denn: Die YPG wurde von den USA und anderen internationalen Partnern im Syrien-Krieg im Kampf gegen die Terrormiliz IS unterstützt.
Das Weiße Haus beobachtet Erdogans Pläne deshalb mit Sorge, heißt es in einem Bericht der Welt. Müssten die syrisch-kurdischen Kräfte der YPG nun bald gegen türkische Soldaten kämpfen, wäre deren Kampf gegen radikale Islamisten behindert. Womöglich würden tausende IS-Terroristen aus kurdisch bewachten Gefängnissen in Syrien entkommen, heißt es. „Wir sind entschieden gegen jede türkische Operation in Nordsyrien und haben unsere Einwände gegenüber der Türkei deutlich gemacht“, wird Dana Stroul zitiert, die im US-Verteidigungsministerium für den Nahen Osten zuständig ist. (smu mit Material von AFP und dpa)