Den vorläufigen Berechnungen zufolge kann die Partei mit mindestens 71 Sitzen im Unterhaus rechnen. Die Mehrheit liegt bei 76 Sitzen. Die rechtskonservative Koalition unter Premierminister Scott Morrison lag zunächst nur bei 49 Sitzen. Labor war in Australien seit fast zehn Jahren nicht mehr an der Macht.
Update vom Samstag, 21.05.2022, 13.30 Uhr: Bei der Parlamentswahl in Australien am Samstag (21.05.2022) zeichnet sich ein extrem enges Ergebnis ab. Auch Stunden nach Schließung der Wahllokale war unklar, welche Partei künftig den Premierminister stellt. Experten im australischen Sender ABC erklärten, es werde möglicherweise zu einem „hung parliament“ kommen (Parlament in der Schwebe), bei dem keine Partei eine absolute Mehrheit erreicht. Meist kommt es dann nach Verhandlungen zu einer Minderheitsregierung einer Partei, die im Repräsentantenhaus auf die Stimmen anderer Parteien angewiesen ist.
Das Rennen entscheidet sich zwischen der sozialdemokratischen Labor-Partei unter dem bisherigen Oppositionsführer Anthony Albanese und der rechtskonservativen Koalition unter Premierminister Scott Morrison. Den vorläufigen Ergebnissen zufolge liegt Labor vorne - es wird aber möglicherweise nicht zu einer Mehrheit reichen. Das mögliche Patt ergibt sich hauptsächlich aus dem guten Abschneiden vieler unabhängiger Kandidaten und der australischen Grünen (The Greens).
Rund 17 Millionen Wahlberechtigte waren dazu aufgerufen, über alle 151 Sitze im Unterhaus und die Hälfte der 78 Sitze im Senat zu entscheiden. Es herrscht Wahlpflicht. Berichten zufolge hat etwa die Hälfte der Australier schon im Vorfeld entweder per Briefwahl oder per frühzeitiger Stimmabgabe gewählt. Die 2,7 Millionen Briefwahl-Stimmen wurden am Samstag noch nicht ausgezählt.
Erstmeldung vom Freitag, 20.05.2022, 13.30 Uhr: Canberra - Ausgerechnet ein Oktopus im Sea Life Sydney Aquarium hat sich als Orakel für die Parlamentswahl 2022 in Australien betätigt: Der Oktopus habe laut dpa in seinem Becken auf „Blau“ - die Farbe der konservativen Liberal Party - getippt, wie eine Sprecherin des Freizeitparks mitteilte. Am Samstag, 21. Mai 2022, finden Parlamentswahlen mit Wahlpflicht in Australien statt. Das Rennen um das Amt des Premierministers wird sich wohl zwischen dem Liberalen Amtsinhaber Scott Morrison, der in einer Koalition mit den konservativen Nationalen regiert, und seinem Kontrahenten Anthony Albanese von der Labor-Partei entscheiden. Im Wahlkampf dominieren folgende Themen: der Ausbau der Kohleindustrie und der fortschreitende Klimawandel sowie die angespannte Wirtschaftslage. Darüber hinaus ist der Umgang mit China ein weiteres Wahlkampfthema, da das Land versucht, immer mehr Einfluss in der Region zu erlangen.
Die Australian Labor Party und ihr Spitzenkandidat Anthony Albanese liegen in den Umfragen derzeit vorn. Allerdings führte auch 2019 die Opposition in den Umfragen und zum Schluss ging dann doch noch der konservative Morrison als Sieger hervor. Der 54-jährige Amtsinhaber sagte kürzlich, dass er im Falle einer Wiederwahl seinen Regierungsstil ändern wolle. Er sei charakterlich „ein bisschen wie ein Bulldozer“. Offenbar war dies als positive Selbstbeschreibung gemeint und soll ihn als zielstrebig und effektiv charakterisieren. Albanese konterte darauf: „Ein Bulldozer macht Dinge kaputt. Eine Planierraupe reißt Dinge um. Ich bin ein Baumeister, das ist es, was ich bin. Ich werde in diesem Land etwas aufbauen.“ Auch der 59-jährige Albanese bringt langjährige Erfahrungen in Schlüsselrollen der Politik mit, ihm heftet allerdings ein Beamten-Image an. Darüber berichtete zuerst der Tagesspiegel.
Amtsinhaber Morrison setzt trotz des in Australien immer stärker spürbaren Klimawandels auf fossile Brennstoffe - allen voran auf den Kohleabbau. Australien führt laut Statista regelmäßig die Liste der Länder an, die die stärksten Kohleexporteure weltweit sind. Morrison will die Kohleindustrie in Australien sogar noch weiter ausbauen. Unter Morrison wurde auch der Bau von Carmichael, der größten Kohlemine der Welt im Bundesstaat Queensland, genehmigt. Umweltorganisationen wie Greenpeace und WWF kritisieren das Projekt, da es das ohnehin schon durch den Klimawandel bedrohte weltweit größte Korallenriff Great Barrier Reef gefährdet.
Morrison hatte Warnungen vor dem Klimawandel in der Vergangenheit auch als „alarmistisch“ bezeichnet und für den Kohleabbau offensiv geworben. Dabei ist Australien eines der Länder der Welt, das stark vom Klimawandel betroffen ist - sei es durch Überschwemmungen im Osten des Landes oder die verheerenden Buschfeuer 2019. Zwar plant Morrison mittlerweile Klima-Neutralität bis 2050, allerdings gehört Australien auch regelmäßig zu den Ländern mit den höchsten CO2-Emissionen pro Kopf, wie Studien von Statista belegen. Einen Plan, wie er die Klimaneutralität erreichen will, hat Morrison nicht vorgelegt. Sein Kontrahent Albanese befürwortet ebenfalls neue Kohleminen, kündigte jedoch zumindest an, die Emissionen bereits bis 2030 um 43 Prozent verringern und die internationalen Gespräche über Klimaziele intensivieren zu wollen. „Ihre Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels würden nicht ausreichen“, sagte Kate Dooley, Dozentin für Klimapolitik an der Universität von Melbourne, laut dem Internet-Portal Bloomberg. „Aber man hat das Gefühl, dass es eine Regierung geben könnte, die ihre Ambitionen erhöhen will“, so die Klimaexpertin weiter.
Die Lebenshaltungskosten sind in Australien durch eine steigende Inflation hoch. Deshalb ist bezahlbarer Wohnraum ein weiteres dominierendes Thema im Wahlkampf, wie The Guardian berichtet. Demnach will die Labor-Partei den Mindestlohn erhöhen, das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern beseitigen und in ein Programm zur Förderung von Wohneigentum investieren.
Ein weiteres Thema im Wahlkampf im Vorfeld der Parlamentswahlen in Australien 2022 ist der wachsende Einfluss Chinas in der Region. Der Geheimdienstberater Andrew Shearer warnte laut dem Redaktionsnetzwerk (rnd) vor einer Allianz Russlands und Chinas und den Ambitionen Pekings durch den Kauf von Häfen und Abkommen mit kleineren Inselstaaten wie den Salomonen weiter an Autorität in der Region zu gewinnen. Befürchtet wird, dass China nun auf den Salomonen Truppen stationieren wird. China sehe den pazifischen Raum nur als Zwischenstation auf seinem Weg mit dem Ziel, die USA als Weltmacht abzulösen. Die China-Skepsis im Land wird auch im Wahlkampf genutzt: Laut Handelsblatt bezahlte eine konservative Lobby-Gruppe sogar ein Wahlplakat - eine Fotomontage – , das den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zeigt, wie er die Labor-Partei wählt und die australischen Wähler dazu aufruft, das gleiche zu tun. Albanese von der Labor-Partei warf dem australischen Premier hingegen „massives außenpolitisches Versagen vor“, indem der Premier Morrison das Abkommen zwischen China und den Salomonen nicht verhindert habe. (df)