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Von Marktl in den Vatikan – und oft in der Kritik: Papst Benedikts bewegtes Leben

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Der emeritierte Papst Benedikt ist nach Angaben des Vatikan „sehr krank“ – die wichtigsten Wegmarken im bewegten Leben des 95-Jährigen im Überblick:

Rom – Fast acht Jahre lang hat Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. die katholischen Christen geführt. Mit seinem Rücktritt vom Amt des Pontifex ging er einen mehr als ungewöhnlichen Schritt. Nun bereiten Berichte über seinen Gesundheitszustand Sorge.

Benedikts bewegtes Leben in Bildern und Fotos:

Benedikt XVI: Ein Papst, geboren in Marktl am Inn

16. April 1927: Joseph Aloisius Ratzinger wird im bayerischen Marktl am Inn als Sohn eines Polizisten und einer Köchin geboren.

Joseph Ratzinger (hinten rechts) auf einem Familien-Foto aus dem Jahr 1938.
Joseph Ratzinger (hinten rechts) auf einem Familien-Foto aus dem Jahr 1938. © imago stock&people/Zuma Wire

1941: Im Zuge der Jugenddienstpflicht kommt Ratzinger in die Hitlerjugend und wird im Zweiten Weltkrieg als Flakhelfer in München eingesetzt. Ende 1944 wird er zur Wehrmacht eingezogen. Nach dem Krieg kommt Ratzinger in US-Gefangenschaft. Am 19. Juni 1945 wird er entlassen.

1946: Ratzinger beginnt sein Studium der Theologie und Philosophie in Freising und München.

29. Juni 1951: Er wird zusammen mit seinem Bruder Georg im Freisinger Dom zum Priester geweiht.

1953: Ratzinger promoviert über den Kirchenvater Augustinus, vier Jahre später habilitiert er über den Theologen Bonaventura.

1958: Als Professor beginnt er seine Hochschullehre in Freising, später geht er nach Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.

1962 bis 1965: Ratzinger nimmt als theologischer Berater des Kölner Erzbischofs Joseph Frings am Zweiten Vatikanischen Konzil teil.

25. März 1977: Papst Paul VI. ernennt Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising. Am 27. Juni wird er zum Kardinal erhoben.

Joseph Ratzinger 1977 bei seiner Bischofsweihe in der Münchner Frauenkirche.
Joseph Ratzinger 1977 bei seiner Bischofsweihe in der Münchner Frauenkirche. © Heinz Gebhardt via www.imago-images.de

25. November 1981: Papst Johannes Paul II. ernennt ihn zum Präfekten der Glaubenskongregation in Rom, der zentralen Instanz für die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche.

„Wir sind Papst“: Benedikts Weg zum Amt des Pontifex

30. November 2002: Mit der Ernennung zum Vorsitzenden des Kardinalskollegiums erhält Ratzinger das zweithöchste Amt im Vatikan. In dieser Funktion hält er 2005 die Totenmesse für Johannes Paul II. und leitet das anschließende Konklave zur Wahl eines neuen Papstes.

19. April 2005: Das Konklave wählt Ratzinger zum 265. Papst. Fünf Tage später wird er als Benedikt XVI. in sein Amt eingeführt.

Benedikt im Vatikan – bei seiner Amtseinführung als Papst 2005.
Benedikt im Vatikan – bei seiner Amtseinführung als Papst 2005. © IMAGO/imageBROKER/Raimund Kutter

6. Juni 2005: Bei einem Konvent über die Rolle der Familie in Rom verurteilt der Papst moderne Formen des Zusammenlebens, gleichgeschlechtliche Beziehungen und Schwangerschaftsabbrüche.

21. August 2005: Benedikt feiert vor einer Million Pilgern auf dem Weltjugendtag in Köln die größte Messe in der deutschen Geschichte.

Benedikts Amtszeit als Papst – umstrittene Entscheidungen im Vatikan

31. August 2005: Der Papst segnet ein Dokument ab, das Priesterseminare verpflichtet, Männer mit „tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen“ nicht mehr zur Priesterweihe zuzulassen.

28. Mai 2006: Im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz ruft der Papst zu Versöhnung und Vergebung auf.

12. September 2006: Benedikt zitiert in einer Vorlesung in Regensburg einen byzantinischen Kaiser mit den Worten, Prophet Mohammed habe nur „Schlechtes und Inhumanes“ gebracht, weil er den islamischen Glauben mit dem Schwert verbreiten lassen wollte. Nach Protesten sagte der Papst mehrmals, seine Äußerungen seien missverstanden worden.

22. Februar 2007: In einem Apostolischen Schreiben erteilt er dem gemeinsamen Abendmahl von Katholiken und Protestanten eine Absage.

29. Juni 2007: Ein vom Papst genehmigtes Schreiben der Glaubenskongregation spricht protestantischen Gemeinschaften das Recht ab, sich als „Kirche“ zu bezeichnen.

Papst Benedikt zwischen Versöhnung und Kritik

7. Juli 2007: In einem Apostolischen Schreiben rehabilitiert er weitgehend die traditionelle Messe in lateinischer Sprache, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil praktisch abgeschafft worden war. Kritiker bemängeln die Entscheidung als Rückschritt.

21. Januar 2009: Mit der Rücknahme der Exkommunikation aller vier Bischöfe der rechtsgerichteten Pius-Bruderschaft - darunter der Holocaust-Leugner Richard Williamson - provoziert Benedikt eine Welle der Kritik.

11. Mai 2009: Während seines Nahost-Besuchs wendet sich Benedikt in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem mit klaren Worten gegen das Leugnen, Verharmlosen oder Vergessen des Holocausts, geht aber nicht auf die Rolle der Kirche bei der Judenvernichtung ein.

11. Juni 2010: Bei einer Messe auf dem Petersplatz bittet der Papst die Opfer von sexuellem Missbrauch öffentlich um Vergebung.

22. September 2011: Auf seiner Deutschland-Reise spricht er als erster Papst im Bundestag. Zudem besucht er Thüringen und Freiburg.

Papst Benedikt XVI. grüßt die Mitglieder des Deutschen Bundestag am 22.9.2011.
Papst Benedikt XVI. grüßt die Mitglieder des Deutschen Bundestag am 22.9.2011. © imago stock&people

22. Dezember 2012: Benedikt begnadigt seinen Ex-Kammerdiener Paolo Gabriele. Dieser war im Oktober in der „Vatileaks“-Affäre wegen der Weitergabe vertraulicher Papiere über Korruption und Geldwäsche im Vatikan zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Benedikts ungewöhnlicher Schritt: Papst tritt 2013 zurück

11. Februar 2013: Benedikt kündigt öffentlich seinen Rücktritt an. Er verweist dabei unter anderem auf sein fortgeschrittenes Alter.

27. Februar 2013: Wegen des großen Interesses wird die letzte Generalaudienz des Papstes auf den Petersplatz in Rom verlegt.

Die letzte Generalaudienz von Benedikts Pontifikat: Der scheidende Papst wurde von zehntausenden Pilgern auf dem Petersplatz unter blauem Himmel empfangen.
Die letzte Generalaudienz von Benedikts Pontifikat: Der scheidende Papst wurde von zehntausenden Pilgern auf dem Petersplatz unter blauem Himmel empfangen. © imago stock&people

28. Februar 2013: Um 20.00 Uhr endet seine Amtszeit.

23. März 2013: Der emeritierte Papst empfängt erstmals seinen Nachfolger Franziskus in der Sommerresidenz Castel Gandolfo.

2. Mai 2013: Nach zwei Monaten in Castel Gandolfo kehrt Benedikt in den Vatikan zurück. Er zieht ins Kloster Mater Ecclesiae.

9. September 2016: Benedikts Interview-Band „Letzte Gespräche“ erscheint. Darin räumt er Fehler in seiner Amtszeit ein.

13. Januar 2020: In dem Buch „Des profondeurs de nos coeurs“ („Aus den Tiefen unserer Herzen“) warnt er zusammen mit dem konservativen Kardinal Robert Sarah vor einem Aufweichen des Zölibats. Das wird als Affront gegen Papst Franziskus verstanden, der eine Debatte darüber eröffnet hatte.

Papst Benedikt auf letzter große Reise – Besuch beim Bruder in Regensburg

18. Juni 2020: Erstmals seit seinem Rücktritt kehrt Benedikt nach Deutschland zurück und besucht in Regensburg seinen schwer kranken Bruder Georg Ratzinger. Der 96-Jährige stirbt zwei Wochen später.

Benedikt XVI. besucht kranken Bruder
Der emeritierte Papst Benedikt XVI wird mit einem Rollstuhl in einen Bus geschoben. Für einen Besuch bei seinem sterbenden Bruder kehrte er nach Deutschland zurück. © picture alliance/dpa

20. Januar 2022: Ein Gutachten wirft Benedikt mehrfaches Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen vor. Als Münchner Erzbischof habe er Priester, die Kinder missbraucht hatten, wieder in der Seelsorge eingesetzt. Später räumt Benedikt in dem Zusammenhang zwar eine Falschaussage ein, spricht aber von einem „Versehen“.

28. Dezember 2022: Papst Franziskus teilt mit, Benedikt sei „sehr krank“, und bittet die Gläubigen um ein „spezielles Gebet“ für den 95-Jährigen. Schon vor Jahren hatte Benedikt erklärt, er „bereite sich auf den Tod vor“.

(dpa/fn)

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