Nach Misstrauensvotum: Bulgarien hofft auf stabile Regierung

Nach einem Misstrauensvotum hat in Bulgarien der Staatschef Rumen Radew die bisherige Regierungspartei PP mit der Regierungsbildung beauftragt.
Sofia - In Bulgarien hat Staatschef Rumen Radew die bisherige Regierungspartei PP nach dem Sturz ihres Koalitionskabinetts mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Der PP-Co-Vorsitzende und kommissarische Finanzminister Assen Wassilew nahm am Freitag als nominierter Ministerpräsident den Auftrag entgegen - und nicht der jetzt geschäftsführende Regierungschef Kiril Petkow. Wassilew hat nun sieben Tage Zeit, eine Regierung aufzustellen.
Staatspräsident Radew verwies darauf, dass Bulgarien in einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise stecke. Zudem komme eine außenpolitische Krise: Nach der von Petkow angekündigten Ausweisung von 70 russischen Diplomaten aus dem EU-Land drohte Russland, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. «In den Krisen, mit denen Bulgarien fertig werden muss, ist es außerordentlich wichtig, ein Kabinett zu haben», betonte Wassilew.
Die bis vor gut einer Woche mitregierenden Sozialisten wollen mit der PP keine Koalitionsgespräche mehr führen, sollte PP-Co-Chef Petkow weiter Regierungschef bleiben. Grund für die Verstimmung ist die bevorstehende Ausweisung der russischen Diplomaten, der sich die Russland-freundlichen Sozialisten widersetzen.
Petkows Regierung wurde am 22. Juni nach gut sechs Monaten durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt. Zuvor hatte die populistische ITN («Es gibt so ein Volk») von Entertainer Slawi Trifonow aus Protest gegen Petkows Nordmazedonien-Politik die Vier-Parteien-Koalition verlassen.
Die sich als Anti-Korruptions-Partei ausgebende PP will nun außer mit den Sozialisten wieder mit dem konservativ-liberal-grünen Bündnis DB und der populistischen ITN über eine neue Regierung verhandeln. Sollte Wassilew keine Regierung bilden können und die Anläufe von zwei weiteren Parteien scheitern, muss es eine neue Parlamentswahl geben - die vierte seit April 2021.
Moskau erwägt Abbruch diplomatischer Beziehungen mit Bulgarien
Nach der angekündigten Ausweisung 70 russischer Diplomaten aus Bulgarien erwägt Moskau den kompletten Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Russlands Aufforderung an Bulgarien, die bislang größte Diplomaten-Ausweisung in dem EU-Land zurückzunehmen, sei ignoriert worden, kritisierte Russlands Botschafterin in Sofia, Eleonora Mitrofanowa, am Freitag der Agentur Interfax zufolge. Deshalb werde nun die Schließung der gesamten russischen Botschaft diskutiert. Das wiederum würde «unweigerlich» auch das Ende für die Arbeit von Bulgariens Botschaft in Moskau bedeuten, so Mitrofanowa.
Bulgarien hatte am Dienstag die Ausweisung von 70 russischen Diplomaten bis Ende dieser Woche angekündigt. Ein Großteil der Diplomaten habe «direkt für fremde Dienste» gearbeitet, hieß es zur Begründung. Der einstige Ostblockstaat hat in der Vergangenheit immer wieder russische Diplomaten wegen Spionagevorwürfen des Landes verwiesen - seit 2019 waren es insgesamt 21.
Das EU- und Nato-Land Bulgarien verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zudem hat sich Sofia geweigert, für russisches Gas in Rubel zu bezahlen. Deswegen stellte der russische Energiekonzern Gazprom bereits die Gaslieferungen nach Bulgarien ein. (dpa)