Iranerin spricht von zwölf Tagen grausamer Folter – und zerreißt dann vor den Augen von Lanz ihren Pass

Welche Themen haben Deutschland und den Rest der Welt in den letzten zwölf Monaten in Atem gehalten? „Markus Lanz – das Jahr 2022“ gibt einen Überblick.
Hamburg – Moderator Markus Lanz liefert einen Jahresrückblick, der ungemein düster und traurig daherkommt. Die zurückliegenden Monate waren geprägt von Katastrophen und Krisen. Gleich zu Beginn stimmt der erste Einspieler den Ton für die kommenden zwei Stunden an. Es werden Aufnahmen aus dem Iran gezeigt. Frauen protestieren nach dem Tod von Jina Mahsa Amini für ihre Freiheit und riskieren für dieses Ziel ihr Leben.
Eine der unterdrückten Iranerinnen, die zum Schutz ihrer Identität „Banoo“ genannt wird, ist aus ihrem Land geflohen und schildert ihr eigenes Leid. Die 32-Jährige wurde zu Beginn des Jahres von der Sittenpolizei aufgegriffen, weil sie mit geöffnetem Mantel spazieren ging.
„Banoo“ berichtet, wie sie daraufhin für zwölf Tage in Polizeigewahrsam genommen, stundenlang verhört und verprügelt wurde. „Sie haben mich seelisch gefoltert, sie haben mich körperlich gefoltert“, fasst sie zusammen. Ihr Martyrium hat sie in ihrem Kampf gegen die iranischen Herrscher dennoch bestärkt.
„Markus Lanz“: Iranerin zerreißt ihren Pass – Journalistin Amiri entlarvt iranische Lüge
Nachdem die Bilder aus dem Iran um die Welt gegangen waren, hat das Regime versucht, sein Gesicht zu wahren und erklärt, dass die Sittenpolizei inzwischen abgeschafft wurde. Diplom-Orientalistin Natalie Amiri entlarvt diese Aussage als Lüge. Statt der „offiziellen“ Sittenpolizei, seien Stellvertreter eingesetzt worden, die fortan die Bestrafungen übernehmen.

Amiri glaubt derweil nicht, dass die Machthaber die Kontrolle wieder zurückerlangen werden. „Es sind keine Proteste mehr, es ist eine Revolution. Das ist eine Absage an das politische System. Die Menschen wollen die islamische Republik nicht mehr.“ Nach Aussage der Journalistin fallen die Bürger nicht mehr auf die leeren Versprechungen ihrer Regierung herein.
„Banoo“ verdeutlicht den Bruch zwischen Volk und Regime, indem sie in der Sendung ihren iranischen Pass zerreißt. Sie ist sich sicher, dass die Proteste zum Fall des derzeitigen Systems beitragen werden. „Ich habe den Mut der Leute gesehen. Die Leute haben keine Angst mehr“, unterstreicht sie abschließend.

„Markus Lanz – das Jahr 2022“: Der Ukraine-Krieg als dominantes Thema
Für die Europäer war der russische Angriff auf die Ukraine das beherrschende Thema des zurückliegenden Jahres. Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärt, warum. In ihren Augen bedrohe Russland durch seinen Überfall nicht nur die ukrainische, sondern auch unsere Freiheit. Aus diesem Grund habe sie sich so früh für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen.
„Markus Lanz – das Jahr 2022“ - das waren die Gäste am 15. Dezember
- Natalie Amiri, Journalistin, gemeinsam mit geflüchteter Iranerin zu Gast
- Irina Scherbakowa, russische Menschenrechtlerin
- Gerhard Baum, früherer Innenminister
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses
- Katrin Eigendorf, ZDF-Korrespondentin
- Hanna Polonska, Überlebende des Butscha-Massakers
- Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender
- Markus Söder, CSU-Vorsitzender
- Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsminister
- Mojib Latif, Klima-Forscher
- Carla Reemtsma, „Fridays for Future“-Aktivistin
- Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin
- Katrin Müller-Hohenstein, ZDF-Sportmoderatorin
- Herbert Grönemeyer, Musiker
Diese Forderungen stießen kurz nach dem Überfall, den Russland am 24. Februar auf die Ukraine startete, auf wenig Gegenliebe. Ein kollektives Umdenken fand erst statt, als die Zerstörungsbilder aus der Stadt Butscha um die Welt gingen.

ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf, die zwischen den Trümmern und Leichenbergen stand, wählt am Abend drastische Worte, um die letzten Skeptiker zu überzeugen. „Es ist ein Vernichtungskrieg gegen ein Volk. Putin hat seinen Krieg dem Westen erklärt“, so Eigendorf.
Um dem Leid der Ukrainer ein Gesicht zu geben, war Hanna Polonska in der Sendung zu Gast. Die Überlebende des Butscha-Massakers legt dar, wie sie bei der Flucht aus der Stadt ihren Ehemann und ihr ungeborenes Kind verloren hat. „Seitdem hat mein Kampf begonnen. Jeder Tag ist eine Herausforderung für mich.“ Im Anschluss laufen der bewegten Frau Tränen über das Gesicht.
„Markus Lanz“: Karl Lauterbach verteidigt Corona-Maßnahmen
Den Abschluss seines Rückblicks widmet Lanz dem Coronavirus. Gesundheitsminister Karl Lauterbach nimmt in diesem Zusammenhang Stellung zu den belastenden Maßnahmen, die schon zu Beginn, aber auch rückblickend angeprangert wurden. Lanz erinnert an die Schließungen von Schulen und Altenheimen.

„Wir haben durch die strengeren Regeln weniger Todesfälle gehabt“, hält Lauterbach dagegen und schiebt hinterher: „Wir schützten Menschen, die sonst gestorben wären.“ Ein Ende der Pandemie sieht der SPD-Politiker im kommenden Frühjahr voraus, wenn das Virus nicht noch einmal mutiert.
Lauterbach nutzte seine wenige Sendezeit zudem, um auf den Personalmangel im hiesigen Gesundheitswesen aufmerksam zu machen. „Auf uns läuft eine mittlere Katastrophe zu, was das Ärzteangebot angeht. Uns fehlen 5.000 Medizinstudenten pro Jahr“, schlug der Gesundheitsminister Alarm. Es müsse jetzt etwas getan werden, damit das Problem nicht noch größer werde, als es sowieso sei.
„Markus Lanz – das Jahr 2022“ – Das Fazit der Sendung
Ein Jahresrückblick wird von den meisten Zuschauern verfolgt, um insbesondere die positiven Erinnerungen noch einmal aufzufrischen. Das Jahr 2022 scheint allerdings vorwiegend negative Erlebnisse geboten zu haben: der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Unterdrückung im Iran, die nicht enden wollende Corona-Pandemie.
Diese schweren Zeiten bringen nach Aussage von Markus Lanz aber nicht nur das Negative, sondern auch das Positive im Menschen hervor. Er sprach unter anderem vom „Jahr der Frauen“ und meint neben den Frauenfußballerinnen, die uns im Juli ein zweites Sommermärchen geschenkt haben, die Iranerinnen, die sich gegen ihre Peiniger zur Wehr setzen. Sie sollten uns dazu animieren, Krisen(-Jahren) die Stirn zu bieten. (Kevin Richau)