Baerbock verurteilt Putins Referenden: „Sie werden erschossen, und dann sollen sie ein Kreuz machen“

Thema Ukraine bei Lanz im ZDF: Baerbock sieht russische Mobilmachung gelassen: „Das zeigt, wie verzweifelt der russische Präsident ist.“ Putin wolle Angst machen.
Hamburg – Wladimir Putin ruft Russland zur Mobilmachung auf: Ist das ein Akt der Verzweiflung, wie Bundeskanzler Scholz es bezeichnete, will Markus Lanz von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wissen. Die Ministerin ist ganz dieser Meinung. „Das zeigt, wie verzweifelt der russische Präsident ist“, sagt sie. „Er hat unterschätzt, wie stark die internationale Geschlossenheit ist.“ Immerhin sei fast der gesamte Westen gegen ihn. Nun „will er Angst machen in Form der Referenden“. Er setze die Bevölkerung in den eroberten Gebieten unter unglaublichen Druck. „Sie werden erschossen, und dann sollen sie ein Kreuz machen.“
Mit Markus Lanz diskutierten diese Gäste:
- Annalena Baerbock (Bundesaußenministerin, Bündnis90/Die Grünen)
- Gerald Knaus (Soziologe)
- Claudia Major (Militärexpertin)
- Eva Quadbeck (Journalistin, RND)
„Was macht dieser Mann, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt?“, fragt Lanz die Ministerin. Auf die Rede Putins Bezug nehmend, ergänzt er: „Wenn jemand mit Atomwaffen droht und dann hinterherschickt ‚Das ist kein Bluff!‘. Sie müssen ja damit rechnen, dass das genau so gemeint ist.“ Baerbock sieht es gelassen. „Das ist sehr schwierig zu sagen, weil es am Ende dann auch ein bisschen Kaffeesatzleserei ist. Obwohl mir das Herz blutet, müssen wir einen kühlen Kopf bewahren. Waffen allein reichen nicht, deshalb haben wir die Sanktionen.“
Mit Blick auf die nukleare Frage gebe es „eine absolute Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft“. Sie lobt in diesem Zusammenhang auch die diplomatischen Erfolge des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. „Durch das gemeinsame Vorgehen haben wir dafür gesorgt, dass Getreide wieder aus der Ukraine herauskommen kann, auch mit Hilfe der Türkei.“
Baerbock: „Der Ringtausch kommt nicht an ein Ende. Jetzt geht’s erst los!“
Lanz hakt nach: Ab wann solle Deutschland Panzer liefern? Die Idee des Ringtauschs komme „langsam an ein Ende“, die Depots der anderen Länder würden leerer. „Liefern wir dann selbst? Ab wann liefern wir den Leopard 2?“ Baerbock stellt klar: „Der Ringtausch kommt nicht an ein Ende. Jetzt geht’s erst los!“ Die Gefahr sei aber, dass all die anderen wichtigen Fragen an den Rand gedrängt würden. „Klimakrise, Bildung, Ernährung. Um die müssen wir uns genauso kümmern.“
Der Moderator gibt nicht auf: „Wenn sich alle und auch der Kanzler durchringen würden, Kampfpanzer zu liefern, würden Sie das gut finden?“, fragt er die Ministerin. Baerbock erklärt ihm ihren Standpunkt ganz ausführlich: „Ich finde es gut und richtig, dass wir solche Schritte gemeinsam gehen. Es ist für mich zentral, dass wir auf jede neue Reaktion von Russland immer wieder auch schauen: Wie beurteilen wir die Lage? Weil das ist ja genau das, was der russische Präsident versucht, weil er militärisch nicht vorankommt.“

Baerbock lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie mit dem Kanzler auf einer gemeinsamen Linie ist: Putin versuche, „uns Angst zu machen, uns zu drohen, und diese Angst darf politisch verantwortungsvolles Handeln nicht leiten, sondern wir brauchen einen kühlen Kopf, und das müssen wir jeden Tag, jede Woche immer wieder gemeinsam reflektieren“.
„Wie ist das, wenn Sie morgen wissen, Sie werden wieder Sergej Lawrow treffen, den russischen Außenminister, von dem Sie wissen, er wird sie anlügen?“, fragt Lanz. Baerbocks Antwort überrascht ihn: „Wenn es den Frieden ein Stück näherbringt, dann ist es ein gutes Treffen, und wenn es das nicht tut, dann ist es kein gutes Treffen. Aber man muss alles versuchen, dass wir in diesem Moment dem Frieden ein Stück näherkommen.“
Quadbeck: Baerbock „zieht sich hinter die Linie des Kanzlers zurück“
Journalistin Eva Quadbeck liest zwischen den Zeilen. „Wie viel Sprengstoff hat die Frage nach Kampfpanzern?“, will Lanz von ihr wissen. „Als Außenministerin wirft sie immer wieder den Stein ins Wasser“, sagt Quadbeck. Man spüre, dass Baerbock eigentlich gern den Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine liefern würde. „Sie zieht sich hinter die Linie des Kanzlers zurück, weil sie den offenen Disput nicht möchte.“
Lanz sieht die Kampfpanzer bereits als fast ausgeliefert an. „Sie werden in Kürze auf dem Weg in die Ukraine sein. Macht Ihnen das Sorgen?“, fragt er Claudia Major. Die Militärexpertin antwortet: „Mir macht der ganze Krieg Sorgen.“ Sie gibt einen kurzen Exkurs in die Waffensysteme. Die Panzerhaubitze sei fast so gut wie der Leopard.
Major sieht die Mobilmachung gelassen: „Die Leute kommen nicht morgen an die Front.“
Lanz lässt Putins offene Atom-Drohung gegen den Westen einspielen. Soziologe Gerald Knaus deutet das Video: „Das läuft eigentlich schlecht für ihn“, sagt er. Die ganze Rede und vor allem die angekündigte Mobilmachung in Russland seien ein „Zeichen der Schwäche“. Quadbeck ergänzt: „Zeichen der Schwäche ja, aber auch eine Gefahr.“
Zu Beginn des Kriegs habe Kanzler Scholz noch vor einem Atomschlag gewarnt. Jetzt sei man dazu übergegangen, das nicht mehr so offen zu sagen, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern. Major sieht die Mobilmachung gelassen: Putin habe den eigenen Hardlinern nachgeben müssen und wolle noch mehr Druck machen. „Aber die Leute kommen nicht morgen an die Front.“

Die eingezogenen Reservisten müssten erst ausgebildet werden. „Aber die Botschaft ist: Wir sind bereit, diesen Krieg noch weiter fortzusetzen.“ „Das ist aber kein gutes Zeichen“, fasst Lanz zusammen. „Die Drohung mit Atomwaffen und der Satz ‚Das ist kein Bluff‘ – Was soll das?“, fragt er. Major gibt Entwarnung: Verhandlungen seien eine Art Kapitulation. „Das waren immer rhetorische Drohungen“, sagt sie. Die amerikanischen Geheimdienste würden „sicher sehen, wenn sich da was bewegt“ und Russland tatsächlich atomare Sprengköpfe ins Spiel bringe. „Das müssen wir ernst nehmen, aber darauf sollten wir nicht hereinfallen, denn dann ist die Frage: Was ist die nächste Erpressung?“
Knaus lobt in diesem Zusammenhang die „starke Rede“ der EU-Präsidentin Ursula von der Leyen. Sie habe gesagt: „Das ist unser Krieg.“ Es gehe hier um Autokratie gegen Demokratie. Lanz beobachtet die Runde und wirft ein: „Frau Quadbeck lächelt…“ Die Angesprochene sieht die Rede der EU-Präsidentin aus einem anderen Blickwinkel. Sie sagt nur knapp: „Naja, dieses Pathos!“
Fazit des Talks bei Markus Lanz:
Die Runde war sich einig: Nur Waffen können der Ukraine helfen – möglichst schwer, möglichst schnell. Entsprechend entspannt war die Atmosphäre im Studio. Kontroverse Diskussionen gab es an diesem Abend keine. (Michael Görmann)