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Die indische Netzfeministin Japleen Pasricha

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New Delhi: Tauben fliegen während sich Muslime zu einem Gebet zum Eid al-Adha versammeln.
New Delhi: Tauben fliegen während sich Muslime zu einem Gebet zum Eid al-Adha versammeln. © Manish Swarup/dpa

Japleen Pasricha macht sich mit ihrer Plattform Feminism in India für Geschlechtergerechtigkeit stark. In dem südasiatischen Land gleicht das einer Kampfansage.

Neu-Delhi – Es war vor elf Jahren, an dem einer sonst lauten Frau die Worte fehlten. Japleen Pasricha, damals Germanistik-Studentin an der Jawaharlal Nehru-Universität in Neu-Delhi, wurde in einem öffentlichen Verkehrsmittel der indischen Hauptstadt sexuell belästigt. Sie brauchte vier Jahre, bis sie mit einem Artikel das Schweigen brach. „Ich brauche Feminismus, weil ich in der Metro von Delhi sexuell belästigt wurde und Angst hatte, es zur Sprache zu bringen“, steht auf einem Zettel, den Japleen Pasricha auf einem Foto in der Hand hält. Sie beteiligte sich damals an einer 16-tägigen Protestaktion gegen sexuelle Belästigung.

In Indien über ­Feminismus zu sprechen, gleicht einer Kampfansage, denn Pasricha und ihre Mitarbeiterinnen hinterfragen männliche Privilegien. Gegenwind bekommt sie dafür in Form von Hass im Netz zu spüren. 

Natalie Mayroth

Zu sehen ist dieses Bild in einem ihrer ersten Artikel auf dem von ihr gegründeten Online-Magazin Feminism in India (FII). Diesen Text hat sie nicht nur verfasst, um sich vom Leib zu schreiben, was sie belastet, sondern „für alle, die unter dem Patriarchat leiden“, wie weiter zu lesen ist. Später kamen Texte über Abtreibungsrechte, Menstruationstabus, feministische Kunst und vermeintliche Genitalkosmetik dazu. Es war zugleich der Start für FII. Sieben Jahre ist das her und aus einem Blog wurde ein Magazin mit 10 Mitarbeiterinnen.

Japleen Pasricha: Feministische Bewegung in Indien gegen Ungleichbehandlung von Frauen

Die feministische Bewegung Indiens bekam mit Japleen Pasricha ein weiteres Gesicht aus der städtischen Mittelschicht. Ihr Laptop ist ihre Waffe im Kampf gegen die Ungleichbehandlung von Frauen und Geschlechterrollen. Auf Feminism In India, in Wikipedia-Artikeln und bei Online-Vorträgen tritt die 31-Jährigen für Gerechtigkeit ein. „Für mich war es wichtig, Ressourcen zu schaffen, die Chancengleichheit und Frauenrechte erklären“, sagt sie während eines Skypegesprächs. 

Heute ist Pasricha Chefredakteurin eines Frauenteams: Sie schreiben Artikel, produzieren Videos und Podcasts und veröffentlichen Comics auf Sozialen Medien und ihrem Magazin. In ihren Beiträgen geht es um sexuelle und reproduktive Rechte, Partnerwahl jenseits von Religion und sozialer Zugehörigkeit (Stickwort Kaste) und die Diskriminierung von trans Personen. In Indien über ­Feminismus zu sprechen, gleicht einer Kampfansage, denn Pasricha und ihre Mitarbeiterinnen hinterfragen männliche Privilegien. Gegenwind bekommt sie dafür in Form von Hass im Netz zu spüren.

Ted Talk mit der indischen Netzfeministin Japleen Pasricha (2019)

„Wir sind ständig unter Beschuss von Trolling, Hassreden und Memes“, sagt sie. Beleidigungen wie „Männerhasserin“ sind da noch eine Kleinigkeit. Vor Kurzem ging die den Schritt, ihre persönlichen Social-Media-Accounts zu deaktiviert. „Ich wurde wieder einmal mit Online-Belästigung konfrontiert und bereits gestalkt“, sagt sie. Eine rechte Plattform hatte es dabei besonders auf sie abgesehen, was sie und ihr Team als extrem belastend empfinden – und eine Menge mentaler Energie kostet, so Pasricha, sodass sie sich eine Auszeit in diesen Netzwerken nimmt.

Ich war immer eine Feministin, selbst als ich nicht wusste, was das Wort bedeutet.

Japleen Pasricha

Doch die Arbeit geht weiter. Von mentaler Gesundheit über Corona-Mythen klärt Pasricha mit ihrem Team auf. Dazu hat FII die beispielsweise wichtigsten Nachrichten über das Virus zusammengestellt und Hinweise zu Hilfsaktionen veröffentlicht, als Indien schwer von bisher zwei Coronawellen getroffen wurde.

Corona-Pandemie: Aktivismus fast komplett ins Digitale verlagert – Wachsender Druck

Aufgrund der Pandemie haben die Feministinnen ihren Aktivismus mittlerweile fast vollständig ins Digitale verlagert. Pasricha hat ihre Büroräume aufgegeben, um Kosten zu sparen. Die Ausgaben für das Medienunternehmen sind gestiegen und die Zeiten unbeständig. Zunehmend werden kritische Medienschaffende auf Grundlage des Gesetzes zur Verhütung von Straftaten angezeigt. „Unvoreingenommene ­Medien geraten zunehmend unter Druck“, erklärt Pasricha in einem YouTube-Video, in dem sie das Unterstützer-Abo des Magazins vorstellt.

Ihr Ziel ist es, dass die Beiträge auf Feminism in India frei zugänglich bleiben. Mit ihren Veröffentlichungen auf Englisch und seit 2019 auch auf Hindi, erreichen sie monatlich eine Million Menschen. Aktuell bekommen sie eine Förderung der Stiftung für unabhängige und öffentlichkeitswirksame Medien IPSMF und probieren verschiedene Finanzierungsmodelle aus. „Ich war immer eine Feministin, selbst als ich nicht wusste, was das Wort bedeutet“, sagt sie. Um nicht stehen zu bleiben, ist sie dabei einen Beirat zu gründen, um mit Feminism in India weitere Formen von Diskriminierung in den Blick zu nehmen. Schließlich betrifft der Kampf gegen das Patriarchat nicht nur die städtische Mittelschicht, aus der Pasricha kommt. (Natalie Mayroth, Mumbai) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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