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„Mussolinis Erben übernehmen die Macht“: von Jubel bis Besorgnis - die Reaktionen zur Italien-Wahl

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Von: Markus Hofstetter

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Italien könnte in Zukunft von einer Mitte-Rechts-Koalition regiert werden. Die Reaktion auf das Wahlergebnis ist gespalten, es reicht von heller Freude bis zu tiefer Besorgnis.

Rom - Das Bündnis um die Fratelli d‘Italia, zu dem die rechtspopulistischen und konservativen Parteien Lega sowie Forza Italia des Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi gehören, kann nach der Wahl vom Sonntag mit einer Regierungsmehrheit im Parlament rechnen. Die rechtsradikale Giorgia Meloni, Chefin der Fratelli d‘Italia, könnte die erste weibliche Regierungschefin Italiens werden. Auch im Senat dürfte es für eine Mehrheit des Bündnisses reichen. (Hier finden Sie den Ticker zur aktuellen Entwicklung.)

Entsprechend fallen außerhalb Italiens die Reaktionen in den unterschiedlichen politischen Lagern aus.

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: AfD gratuliert Meloni

„Wir jubeln mit Italien! Herzliche Glückwünsche an das gesamte Mitte-Rechts-Bündnis“, twitterte Beatrix von Storch Sonntagnacht. Mit Verweis auf den Wahlsieg der Rechten in Schweden schrieb die AfD-Bundestagsabgeordnete weiter: „Linke Regierungen sind so was von gestern.“ Ihr Parteikollege Malte Kaufmann sekundierte, ebenfalls auf Twitter: „Ein guter Tag für Italien – ein guter Tag für Europa.“

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: EU wurde „Lektion in Demut“ erteilt

Der französische Europaabgeordnete Jordan Bardella von Marine Le Pens rechter Rassemblement National (RN) schrieb bei Twitter, dass die Italiener der EU und deren Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „eine Lektion in Demut“ erteilt hätten.

„Keine Bedrohung jeglicher Art kann die Demokratie aufhalten“, schrieb der Parteivorsitzende der RN. „Die Völker Europas erheben ihre Häupter und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand.“ Dabei bezieht sich Bardella auf eine Aussage von der Leyens vom Donnerstag (22. September). Sie sagte, dass man in Brüssel nach einem Wahlsieg der Rechten in Italien „Werkzeuge“ habe, wenn EU-Richtlinien verletzt werden.

RN-Politikerin Marine Le Pen gratulierte Meloni dazu, „den anti-demokratischen und arroganten Drohungen der Europäischen Union widerstanden“ zu haben. „Das italienische Volk hat entschieden, sein Schicksal in die Hand zu nehmen, indem es eine patriotische und souveränistische Regierung gewählt hat“, schrieb sie auf Twitter.

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: Hoffen auf stabilisierenden Einfluss der Forza Italia

Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt dagegen zeigte sich besorgt über den Wahlsieg Melonis. Der Bundestagsabgeordnete verwies dabei unter anderen auf deren „offen postfaschistischen Äußerungen“. „Rassismus und die Ausgrenzung von Minderheiten dürfen in Europa keinen Platz mehr finden“, sagte Hardt der Deutschen Presse-Agentur am Montag. In Deutschland und Brüssel werde die neue italienische Regierung an ihrem Beitrag zur Zukunft Europas, der Einhaltung der Sanktion gegen Russland und dem Fortschritt beim Wiederaufbau der italienischen Wirtschaft gemessen werden.

Hardt hofft aber, dass die Forza Italia das Potenzial hat, zu einer stabilisierenden Kraft zu werden. Dabei nimmt er deren Chef Silvio Berlusconi aber ausdrücklich aus.

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: „Es wird immer mühsamer“

FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff erwartet auf EU-Ebene schwierigere Entscheidungsprozesse, vor allem bei den Themen Migration, Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie Binnenmarkt. „Es wird immer mühsamer“, sagte Lambsdorff am Montag im ARD-Morgenmagazin.

Giorgia Meloni
Giorgia Meloni, Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Fratelli d‘Italia, kann sich über einen Wahlsieg freuen © Oliver Weiken/dpa

Doch er sieht auch einen Hoffnungsschimmer. Grund ist, dass Meloni bei den Sanktionen gegen Russland zuletzt konstruktiver geklungen hat als zuvor und auch Bündnispartner Matteo Salvini von der Lega klar widersprochen hat.

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: Ausgang ist „besorgniserregend“

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour ist nicht so zuversichtlich. Er bezeichnete den Wahlausgang als „besorgniserregend“. Es sei bekannt, dass es gerade bei Leuten innerhalb des rechtsnationalen Bündnisses „sehr enge Verwebungen mit dem Kreml“ gebe, sagte Nouripour im RTL/ntv-Frühstart. „Deshalb ist es tatsächlich so, dass man nicht ausschließen kann, dass auch in Moskau gestern Abend Leute die Korken haben knallen lassen.“

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: „Gefahr für konstruktives Miteinander in der Europa“

Auch führende EU-Abgeordnete warnen vor einer rechten Regierung in Italien. „Giorgia Meloni wird eine Ministerpräsidentin sein, deren politische Vorbilder Viktor Orban und Donald Trump heißen“, sagte Katharina Barley (SPD), Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, der Welt.

Der Wahlsieg des Bündnisses von Rechts-Mitte-Parteien in Italien sei deshalb „besorgniserregend“. Melonis „wahlkampftaktisches Lippenbekenntnis für Europa“ könne nicht darüber hinwegtäuschen, „dass sie eine Gefahr für das konstruktive Miteinander in Europa darstellt“, warnte Barley.

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: Gemeinsame Werte der EU in Gefahr

Für den Co-Chef der europäischen Grünen, Thomas Waitz, ist das Fundament und die gemeinsamen Werte der EU in Gefahr, „wenn Italien als drittgrößte EU-Volkswirtschaft von einer Koalition aus Postfaschisten und Rechtsaußen-Parteien regiert werden sollte“. Die EU könne nur funktionieren, wenn sie zusammenhalte, beispielsweise bei der Kooperation auf den Energiemärkten, bei Beschlüssen über Russland-Sanktionen oder bei der Bewältigung der Corona-Krise, sagte der Grünen-Politiker der Welt.

Meloni hingegen würde „auf nationale Alleingänge setzen, sie kann eine Katastrophe für Europa werden“, warnte der Politiker aus Österreich. Zudem sei unter einer Regierungschefin Meloni „die Gefahr groß, dass Italien wieder in eine Schuldenkrise schlittert“. Dann könne der gesamte Euroraum unter Druck geraten.

Reaktionen auf Wahlergebnis in Italien: „Bedrohung der Grundrechte“

Während sich die RN in Frankreich freut, zeigt sich das gegnerische Lager entsetzt. „Der Sieg der extremen Rechten in Italien ist sowohl eine Bedrohung der Grundrechte als auch ein Risiko der Lähmung für Europa“, twitterte der französische Ex-Präsident Francois Hollande. „Es ist auch eine Warnung. In der politischen Verwirrung und mit dem Verschwinden von Parteien kann das, was in Italien passiert, in Frankreich passieren“, so der Politiker der Sozialistischen Partei weiter.

Die Abgeordnete der französischen radikalen Linkspartei La France Insoumise, Clémentine Autain, nennt das Ergebnis der Wahlen in Italien auf Twitter „tragisch“. „Mussolinis Erben übernehmen die Macht in Italien. Neoliberale Politik und das Verschwinden der Linken machten es möglich. Hier haben wir uns gewehrt. Jetzt gewinnen wir das Rennen mit dem Rassemblement National.“

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