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„Menschliche Pflicht“: Italien lässt 250 Geflüchtete endlich an Land

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Von: Jana Stäbener

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Italienische Behörden verweigerten 250 Migranten in Italien die Einreise. Erst nach Tagen auf dem Rettungsschiff im Hafen dürfen die Geflüchteten nun an Land gehen.

Update vom 9. November 2022, 10 Uhr: Es ist so weit: Die 250 Menschen, denen italienische Behörden die Einreise verweigerten, sind jetzt in Catania an Land gegangen. „Rettung abgeschlossen“, meldete eine Helferin von Ärzte ohne Grenzen laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) unter dem Jubel der Schiffs-Crew der deutschen „Humanity 1“ und norwegischen „Geo Barents“. Auch Tim Rummenhohl, Leiter des Schiffsbetriebs der „Humanity 1“ ist erleichtert. Trotzdem sagt er gegenüber der dpa: „Unsere Arbeit ist nicht vorbei, auch nicht, wenn die italienischen Behörden der Meinung sind, dass unsere Arbeit nicht rechtmäßig ist. Sie ist Pflicht, sie ist menschliche Pflicht, sie ist gesetzliche Pflicht. Wir werden weiter dafür einstehen, dass dies auch so bleibt.“

Angeblich sei der Gesundheitszustand der Geflüchteten am Dienstagabend, 8. November, „schlecht“ genug gewesen, um sie an Land gehen zu lassen, willigte das Gesundheitsamt von Catania ein. Kurz bevor die Geflüchteten diese Erlaubnis erhielten, meldeten die Rettungsschiffe, dass ihre Passagiere in den Hungerstreik getreten waren und seit mehr als 40 Stunden nichts mehr gegessen hatten.

Originalmeldung vom 8. November 2022, 12 Uhr: Die neue Regierungschefin von Italien, Giorgia Meloni, wurde am 22. Oktober vereidigt. Schon zu ihrem Wahlsieg Ende September gratulierten Giorgia Meloni rechte Politiker in Europa – auch die AfD. Eine der Wahlkampf-Forderungen der Parteichefin der postfaschistischen Fratelli d‘Italia (FdI) war eine Seeblockade gegen Migranten. In ihrer ersten Regierungserklärung am 25. Oktober gab Meloni laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) bekannt, Zentren einzurichten, in denen geprüft werde, wer übersetzen dürfe. Jetzt, nur wenige Wochen nach Melonis Amtsantritt, liegen zwei Rettungsschiffe im Hafen von Catania und warten darauf, dass rund 250 ihrer Passagiere endlich an Land gehen dürfen.

Politikversagen bei Rettungsschiff „Humanity 1“: Geflüchtete dürfen nicht an Land

Wie die dpa berichtet, wird die Lage auf der deutschen „Humanity 1“ und der norwegischen „Geo Barents“ immer prekärer. Drei Migranten sprangen am Montag, 7. November, sogar ins Wasser. Sie gehörten zu den 35 Geflüchteten auf der „Humanity 1“ und 214 auf der „Geo Barents“ , denen die italienischen Behörden verweigerten, an Land zu gehen. Die Begründung: „‚Sie sind erwachsen, sie sind offensichtlich nicht ungesund‘, und deshalb bleiben sie auf unserem Schiff“, sollen die Behörden laut Tim Rummenhohl, Leiter des Schiffsbetriebs der Humanity 1, gesagt haben. Seiner Meinung nach fand die Selektion „unter willkürlichen und unangemessenen Bedingungen statt.“

Dabei spiele es keine Rolle, welchen Status die Geflüchteten haben oder wie krank sie sind. „Sie sind Asylbewerber, sie suchen Schutz. Sie haben ständig Angst, zurückgeschoben zu werden, sie sind also voller Unsicherheit, sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht“, so Rummenhohl zur Situation vor Italiens Küste. Die Befürchtung sei, dass die italienische Regierung die Geflüchteten nach Libyen zurückdränge. Nicht nur Menschen auf der Flucht haben diese Angst – auch Geflüchtete, die schon in Deutschland leben, werden abgeschoben – so wie diese nach Aserbaidschan abgeschobenenen Geflüchteten, die dort verhaftet wurden.

SOS Humanity: Behörden „verstoßen gegen internationales und italienisches Recht“

Laut Spiegel sprechen die Vereinten Nationen (UNO) von mehr als 600 Menschen, die noch vor der italienischen Küste darauf warten, an Land gehen zu dürfen. Sie haben eine gefährliche Reise hinter sich – mehr als 3000 Menschen starben 2021 bei ihrer Flucht von Afrika nach Europa. „Für alle verbliebenen Überlebenden auf allen vier Schiffen auf See wird dringend eine Lösung benötigt“, teilten die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Montag, 7. November, mit.

Die Seenotrettungsorganisation „SOS Humanity“, der das deutsche Schiff „Humanity 1“ gehört, will nun juristisch gegen ein Dekret der italienischen Regierung vorgehen. Es verbietet dem Schiff, länger in italienischen Hoheitsgewässern zu bleiben, als es „für Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für Menschen in Notlagen und in prekären Gesundheitszuständen erforderlich ist.“ Laut einer Pressemitteilung der Organisation schreibe das internationale Seerecht jedoch vor, einem Rettungsboot einen sicheren Ort für Überlebende zuzuweisen.

Dies sei jedoch nicht geschehen. Im Gegenteil: Italienische Behörden forderten den Kapitän der „Humanity 1“ auf, den Hafen mit den 35 Überlebenden an Bord wieder zu verlassen, was dieser unter Berufung auf Seerecht ablehnte. Mirka Schäfer, politische Referentin von SOS Humanity sagt dazu: „Sowohl das Dekret als auch die Verhinderung der Ausschiffung von 35 Überlebenden von Bord der Humanity 1 verstoßen gegen internationales und italienisches Recht.“ Die Organisation gehe vor dem regionalen Verwaltungsgericht in Rom gegen das Dekret in Berufung. Außerdem habe sie ein Eilverfahren vor dem Zivilgericht in Catania initiiert, um das Recht der 35 Schutzsuchenden an Bord auf ein formales Asylverfahren an Land sicherzustellen.

Mehr zu Migration: In Deutschland wird der Wohnraum für Geflüchtete knapp – „niemand möchte leichtfertig Turnhallen belegen“.

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