Originalmeldung vom 8. November 2022, 12 Uhr: Die neue Regierungschefin von Italien, Giorgia Meloni, wurde am 22. Oktober vereidigt. Schon zu ihrem Wahlsieg Ende September gratulierten Giorgia Meloni rechte Politiker in Europa – auch die AfD. Eine der Wahlkampf-Forderungen der Parteichefin der postfaschistischen Fratelli d‘Italia (FdI) war eine Seeblockade gegen Migranten. In ihrer ersten Regierungserklärung am 25. Oktober gab Meloni laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) bekannt, Zentren einzurichten, in denen geprüft werde, wer übersetzen dürfe. Jetzt, nur wenige Wochen nach Melonis Amtsantritt, liegen zwei Rettungsschiffe im Hafen von Catania und warten darauf, dass rund 250 ihrer Passagiere endlich an Land gehen dürfen.
Wie die dpa berichtet, wird die Lage auf der deutschen „Humanity 1“ und der norwegischen „Geo Barents“ immer prekärer. Drei Migranten sprangen am Montag, 7. November, sogar ins Wasser. Sie gehörten zu den 35 Geflüchteten auf der „Humanity 1“ und 214 auf der „Geo Barents“ , denen die italienischen Behörden verweigerten, an Land zu gehen. Die Begründung: „‚Sie sind erwachsen, sie sind offensichtlich nicht ungesund‘, und deshalb bleiben sie auf unserem Schiff“, sollen die Behörden laut Tim Rummenhohl, Leiter des Schiffsbetriebs der Humanity 1, gesagt haben. Seiner Meinung nach fand die Selektion „unter willkürlichen und unangemessenen Bedingungen statt.“
Dabei spiele es keine Rolle, welchen Status die Geflüchteten haben oder wie krank sie sind. „Sie sind Asylbewerber, sie suchen Schutz. Sie haben ständig Angst, zurückgeschoben zu werden, sie sind also voller Unsicherheit, sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht“, so Rummenhohl zur Situation vor Italiens Küste. Die Befürchtung sei, dass die italienische Regierung die Geflüchteten nach Libyen zurückdränge. Nicht nur Menschen auf der Flucht haben diese Angst – auch Geflüchtete, die schon in Deutschland leben, werden abgeschoben – so wie diese nach Aserbaidschan abgeschobenenen Geflüchteten, die dort verhaftet wurden.
Laut Spiegel sprechen die Vereinten Nationen (UNO) von mehr als 600 Menschen, die noch vor der italienischen Küste darauf warten, an Land gehen zu dürfen. Sie haben eine gefährliche Reise hinter sich – mehr als 3000 Menschen starben 2021 bei ihrer Flucht von Afrika nach Europa. „Für alle verbliebenen Überlebenden auf allen vier Schiffen auf See wird dringend eine Lösung benötigt“, teilten die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Montag, 7. November, mit.
Die Seenotrettungsorganisation „SOS Humanity“, der das deutsche Schiff „Humanity 1“ gehört, will nun juristisch gegen ein Dekret der italienischen Regierung vorgehen. Es verbietet dem Schiff, länger in italienischen Hoheitsgewässern zu bleiben, als es „für Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für Menschen in Notlagen und in prekären Gesundheitszuständen erforderlich ist.“ Laut einer Pressemitteilung der Organisation schreibe das internationale Seerecht jedoch vor, einem Rettungsboot einen sicheren Ort für Überlebende zuzuweisen.
Dies sei jedoch nicht geschehen. Im Gegenteil: Italienische Behörden forderten den Kapitän der „Humanity 1“ auf, den Hafen mit den 35 Überlebenden an Bord wieder zu verlassen, was dieser unter Berufung auf Seerecht ablehnte. Mirka Schäfer, politische Referentin von SOS Humanity sagt dazu: „Sowohl das Dekret als auch die Verhinderung der Ausschiffung von 35 Überlebenden von Bord der Humanity 1 verstoßen gegen internationales und italienisches Recht.“ Die Organisation gehe vor dem regionalen Verwaltungsgericht in Rom gegen das Dekret in Berufung. Außerdem habe sie ein Eilverfahren vor dem Zivilgericht in Catania initiiert, um das Recht der 35 Schutzsuchenden an Bord auf ein formales Asylverfahren an Land sicherzustellen.
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