Während anfangs konkret das Jahr 2050 für „Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen oder Kohlendioxidneutralität“ festgeschrieben werden sollte, ist als Ziel nur noch allgemein von „bis oder um die Mitte des Jahrhunderts“ die Rede. Damit ist gemeint, dass nur soviel Emissionen ausgestoßen werden wie auch gebunden werden kann. Der Rückzug erfolgte offenbar aus Rücksicht auf China und Russland, die das Ziel erst 2060 anstreben. Indien möchte sich nicht festlegen.
Auch gab es keine Einigung mehr auf „sofortiges Handeln“, wie es in einem anfänglichen Entwurf noch geheißen hatte. Jetzt ist weniger dringlich von „bedeutungsvollem und wirksamen Handeln“ die Rede. Nur allgemein bekräftigt die G20, dass sie weiter den Zielen des Pariser Abkommens verpflichtet seien, die Erderwärmung „deutlich unter zwei Grad zu halten und Bemühungen zu verfolgen, sie auf 1,5 Grad zu begrenzen“.
Ein Kohleausstieg wurde nicht einmal direkt erwähnt. Auch die Zusage, die Investitionen in Kohlekraftwerke auslaufen zu lassen, blieb wenig konkret. Sollte das ursprünglich „in den 2030er Jahren“ geschehen, fehlte im Abschlusskommuniqué die Jahreszahl. Es wird jetzt „so schnell wie möglich“ ins Auge gefasst. Damit könnte Rücksicht wieder auf China oder Indien genommen worden sein, die ihre Stromerzeugung stark auf Kohle stützen und dem Bedarf nur schwer nachkommen. Die G20 bekannte sich aber dazu, bis Ende dieses Jahres im Ausland den Bau der Kohlekraftwerke nicht mehr mit öffentlichen Mitteln zu fördern.
„Der G20-Gipfel hätte eine Steilvorlage für die UN-Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow werden müssen“, sagte Klimaexperte Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. „Das ist nicht gelungen.“ Die G20 habe es versäumt, die Unzulänglichkeit ihrer Selbstverpflichtungen unter dem Pariser Abkommen anzuerkennen und sich zur „dringend notwendigen, sofortigen Nachbesserung“ zu verpflichten.
Update vom 31. Oktober, 13.50 Uhr: Die führenden Wirtschaftsmächte haben sich beim G20-Gipfel in Rom nicht auf eine ehrgeizige Erklärung zum Klimaschutz verständigen können. Wie aus dem ausgehandelten Text für die Abschlusserklärung hervorgeht, gibt es weiter kein konkretes Zieldatum für die wichtige Kohlendioxidneutralität und den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Das Dokument, das am Nachmittag formell angenommen werden soll, lag der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag vor.
Update vom 31. Oktober, 12 Uhr: Die Mitglieder der G20-Gruppe haben sich in schwierigen Verhandlungen auf ambitionierte Klimaziele verständigt: In der für Sonntag geplanten Abschlusserklärung des G20-Gipfels in Rom wollen sich die stärksten Wirtschaftsnationen der Welt gemeinsam hinter das 1,5-Grad-Ziel stellen. Das berichtet AFP und beruft sich auf Delegationskreisen. Die Unterhändler der G20-Mitglieder hatten die ganze Nacht über verhandelt, um die Einigung zu erzielen.
Die G20-Gruppe steht für fast 80 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen. Die G20 setzt damit zum Auftakt der Weltklimakonferenz ein Signal: Ihre Zielsetzung geht über die im Klimaabkommen von Paris genannte Marke hinaus. Dort war vereinbart worden, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen.
Update vom 31. Oktober, 8.40 Uhr: Prinz Charles will die G20-Staaten in Rom an ihre Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen erinnern. „Es ist unmöglich, die verzweifelten Stimmen junger Menschen nicht zu hören, die Sie als Verwalter des Planeten sehen, während Sie ihre Zukunft in den Händen halten“, wie aus dem Manuskript seiner Rede hervorgeht, die der britische Thronfolger anlässlich des Gipfeltreffens der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (G20) in Rom halten will. Sie ist laut G20-Programm für Sonntagvormittag auf einer Veranstaltung zur Rolle des privaten Sektors im Kampf gegen den Klimawandel geplant.
Die Staats- und Regierungschefs haben Prinz Charles zufolge noch ungeborenen Generationen gegenüber eine „überwältigende Verantwortung“, hieß es vorab aus seiner Residenz Clarence House. Der Prince of Wales sehe jedoch, dass sich beim Thema Klimawandel die Haltung ändere.
Erstmeldung vom 30. Oktober, 22 Uhr: Rom - Die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten haben sich auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für global agierende Unternehmen geeinigt. Das trifft insbesondere Firmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple.
US-Finanzministerin Janet Yellen sprach am Samstag von einem „historischen“ Schritt. Damit werde der „schädliche Wettlauf nach unten bei der Unternehmensbesteuerung beendet“. Auch Angela Merkel bewertete die Entscheidung positiv: „Das ist ein klares Gerechtigkeitssignal. Die Mindestunternehmensbesteuerung ist ein großer Erfolg.“
Mit der Reform soll ein Steuerwettbewerb nach unten zwischen Staaten beendet und der Steuervermeidung großer Konzerne ein Riegel vorgeschoben werden. Die 136 Unterstützerstaaten der globalen Steuerreform stehen für 90 Prozent der Weltwirtschaftsleistung.
Die Neuordnung der internationalen Steuerarchitektur soll nach OECD-Angaben weltweit zu zusätzlichen Steuereinnahmen von jährlich rund 150 Milliarden Dollar (rund 129 Milliarden Euro) führen. Sie zielt vor allem auf US-Internetgiganten wie Google, Amazon, Facebook und Apple ab.
Darüber hinaus wurde in Rom ein schnelleres Tempo beim Impfen gefordert. Dabei solle auch global gedacht werden und der Blick in ärmere Länder gehen, hieß es am Samstag. Die stärksten Wirtschaftsnationen der Erde müssten etwa mit der Unterstützung ärmerer Staaten bei den Corona-Impfungen ein Zeichen setzen, sagte der gastgebende italienische Ministerpräsident Mario Draghi. Es brauche mehr Impfgerechtigkeit. Draghi kritisierte es als „moralisch inakzeptabel“, dass in den ärmsten Staaten gerade einmal drei Prozent der Menschen gegen das Virus geimpft seien. Merkel sagte die Unterstützung Deutschlands zu.
„Ob Pandemie-Bekämpfung, Klimaschutz, ein gerechtes globales Steuersystem - es gibt keine Option, dies alles allein zu erreichen“, sagte Draghi. In den vergangenen Jahren hätten „Protektionismus, Unilateralismus und Nationalismus“ die Zusammenarbeit in der G20 belastet - nun sei es Zeit für eine Rückkehr zum Multilateralismus.
Die Welt sei nahe daran, dass von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgegebene Ziel einer weltweiten Impfrate von 40 Prozent zu erreichen, sagte Draghi. Nun müsse die Welt „alles tun, die globale Impfquote bis Mitte 2022 auf 70 Prozent zu steigern“. Am Rande des G20-Gipfels sorgte Angela Merkel für Symbolkraft - und machte Olaf Scholz international bereits zum Kanzler*. (AFP) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA