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Einen Monat nach der Flutkatastrophe: Hilfskräfte rücken frustriert ab

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Von: Yannick Wenig

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Nach dem Unwetter in Rheinland-Pfalz
Die Aufräumarbeiten nach der Flutkatastrophe laufen weiter. Doch einige Hilfskräfte rücken frustriert ab. Sie bemängeln fehlende Organisation. © Thomas Frey/dpa

Etwa einen Monat nach der verheerenden Flutkatstrophe laufen die Aufräumarbeiten noch immer. Doch immer mehr Hilfskräfte verlassen frustriert das Katastrophengebiet.

Ahrweiler – Mehr als vier Wochen sind inzwischen vergangen, seitdem die Flutkatastrophe* das Leben der Menschen in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen völlig auf den Kopf gestellt hat. 134 Menschen verloren alleine im Ahrtal ihre Leben, ganze Ortschaften wurden zerstört. Groß war die Anteilnahme und die Hilfsbereitschaft in Deutschland. Tausende Helfer:innen reisten in die am schwersten betroffenen Regionen um die Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten voranzutreiben. Doch nun, etwa einen Monat nach der verheerenden Hochwasser-Katastrophe Mitte Juli, verlassen zahlreiche Hilfskräfte den Ort des Geschehens. Sie sind frustriert.

Die Nacht zum 15. Juli 2021 hat auch in der 1800-Einwohner-Gemeinde Dernau an der Ahr alles verändert. Nachdem das Ausmaß der Zerstörung nach der Flutkatastrophe ersichtlich wurde, beherrscht das Dröhnen von Baggern, Traktoren und Lastwagen die Kulisse in der schwer betroffenen Ortschaft im Norden von Rheinland-Pfalz. Unzählige Helferinnen und Helfer versuchen verzweifelt, Ordnung in das Chaos zu bringen, das die Naturkatastrophe gebracht hat. Berge aus Schutt, zerstörte Pkws und etliches anderes Geröll türmen sich auf provisorisch angelegten Mülldeponien. Noch immer wird jede helfende Hand benötigt.

Hilfskräfte verlassen das Ahrtal nach Flutkatastrophe: Es fehlt „vernünftige Organisation“

Doch nach einigen Wochen des Anpackens bleiben inzwischen immer mehr Helfer:innen dem Katastrophengebieten fern. Sie bemängeln fehlende Organisation und Koordination der Einsatz- und Hilfskräfte, die mit schwerem Gerät die Aufräumarbeiten vorantreiben. Das regionale Nachrichtenportal rp-online.de berichtet von einem Helfer, der seit mehr als zwei Wochen täglich im Ahrtal mit anpackt. „Was hier fehlt ist eine vernünftige Organisation“, zitiert das Portal den Mann, der mit Lkw und Bagger ins Ahrtal gereist war. Derzeit packe jeder irgendwo mit an und mache das, was er könne. „Mit der geballten Arbeitskraft und den Maschinen, darunter viele Spezialfahrzeuge, hätten wir viel mehr erreichen können. Die Hierarchiekette ist einfach zu lang“, so Lange weiter. Er bemängelt außerdem, dass Verwaltungsangestellte nicht vor Ort seien und der Informationsfluss schlecht funktioniere.

Wie rp-online.de berichtet, fehlen im Landkreis Ahrweiler Lkw, die den Müll abtransportieren. Bagger und Radlader stehen demnach zu lange still. Anderorts ist es umgekehrt: Dort fehlen Bagger, die Lastwagen warten darauf, beladen zu werden. Vor wenigen Tagen mussten privaten Versorgungsstationen das Feld räumen, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) übernimmt nun die Ausgabe von Speisen und Getränken. Allerdings nur von 12.30 Uhr bis 14 Uhr. Dadurch verlieren die Menschen, die dort wohnen, sowie die zahlreichen tatkräftigen Helferinnen und Helfer einen Anlauf- und Treffpunkt. Laut rp-online.de soll das Technische Hilfswerk (THW) ab Samstag (21.08.2021) die Bundeswehr bei der Dieselversorgung ablösen. Das Problem: Bei der Hilfe sind beide an Befehlsketten gebunden, außerdem verfüge der THW nicht über Tanklastwagen in derselben Größenordnung.

Immer mehr Hilfskräfte verlassen das Katastrophengebiet: Unnötige Bürokratie und Kosten

Die Organisationsprobleme führen inzwischen zu einem beobachtbaren Rückgang der freiwilligen Hilfskräfte im Ahrtal, die nach wie vor nicht wissen, ob sie eine Erstattung ihrer Betriebskosten erwarten dürfen. „Ich würde gerne länger vor Ort bleiben. Die Menschen sind so dankbar für jede Hilfe. Aber ich kann es mir einfach nicht leisten, wenn ich auf den Kosten sitzenbleibe“, sagte der Helfer im Gespräch mit rp-online.de. Ebenfalls kritisieren zahlreiche Freiwillige die unnötige Bürokratie. „Entsteht ein Schaden am Fahrzeug, müssen wir nachweisen, dass es vor Ort passiert ist. Wer kann das schon?“, heißt es.

Trotz der teils überwältigenden Dankesbekunden der Betroffenen verlassen nun also zahlreiche Hilfskräfte das Katastrophengebiet. Dabei wird Hilfe weiterhin so dringend benötigt. Unterdessen hat der Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, verkündet, sein Amt niederzulegen*. Damit zog er die Konsequenzen aus Flutkatastrophe. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor die Ermittlungen gegen Pföhler* wegen des Vorwurfs fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen aufgenommen. Doch nicht etwa die Flutkatastrophe, sondern gesundheitliche Beschwerden gab seine Partei, die CDU, in einer Mitteilung als Begründung für den Rücktritt an. „Krankheitsbedingt“ könne er das Amt nicht mehr ausüben. (yw) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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