Sogar Temelin-Pläne wackeln - Warum Tschechien besonders unter Wassermangel leidet

Der Klimawandel ist längst in Mitteleuropa angekommen. Zwischen 2014 und 2020 war es in Tschechien so trocken, wie niemals zuvor. Mit Auswirkungen etwa für Pläne in Temelin.
- Tschechien* wurde 2014 bis 2020 von einer schweren Dürreperiode getroffen.
- Trotz vieler Flüsse ist Tschechien ein wasserarmes Land.
- Industrielle Landwirtschaft und die Monokultur fördern die Bodenerosion und das Absinken des Grundwassers.
- Die tschechische Energiewirtschaft verbraucht viel Wasser für die Kühlung der Atom- und Kohlekraftwerke.
Prag - Für Tschechien waren die Jahre 2014 bis 2020 die trockensten in der gesamten Geschichte des Landes. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hat es noch nie so heiße und trockene Jahre gegeben. In den Jahren 2020/2021 legte die Dürre dann eine Pause ein. Es bleibt zu hoffen, dass Tschechien diese Zeit nutzt, um sich auf weitere Trockenheit einzustellen. Diese könnte sich nach Ansicht der Experten mittelfristig weiter verschärfen. Hauptursache ist der Klimawandel*. Aber es gibt auch weitere ungünstige Faktoren, die Tschechien besonders anfällig für die Trockenheit gemacht haben.
Im Mai 2020 warnte tschechische Präsident Miloš Zeman*, die Dürre treffe Tschechien schwerer als die Coronapandemie*. Zeman schlug vor, verstärkt in Wassertanks und Staudämme zu investieren.
Tschechien: Das Klima und die schwindenden Wasserressourcen
Tschechien zählt zu den wasserärmsten Ländern der Europäischen Union. Nach Ansicht vieler Hydrologen hat das damit zu tun, dass es sich um eine Region handelt, die etwas höher gelegen ist und somit die großen wasserführenden Flüsse wie Elbe und Oder relativ schnell abfließen. Das führt dazu, dass weniger Wasser vom Erdreich gehalten werden kann, was sich negativ auf den Grundwasserspiegel auswirkt.
Der Klimaforscher Miroslav Trnka, der an der Universität in Brno lehrt und an der Akademie der Wissenschaften forscht, ist der Ansicht, dass Tschechien wegen der gegebenen klimatischen Entwicklungen deutlich stärker von der Erderwärmung betroffen ist als andere Staaten. Der Klimawandel führt zu globalen Veränderungen des Wettergeschehens, die seltener als vorher feuchte Luft nach Mitteleuropa bringen.
Die Folgen sind in der Land- und Forstwirtschaft bereits deutlich erkennbar. Trnka ist der Meinung, dass die tschechische Politik dem Problem in den letzten Jahren zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Lange Zeit galt nicht die Trockenheit, sondern die Flutgefahr als wichtigstes Thema der tschechischen Wasserwirtschaft. Die großen Flüsse traten häufig über das Ufer und verursachten schwere Überflutungen. Daraufhin wurden sie begradigt und die Ufer wurden abgedichtet. In der Folge büßte Tschechien rund 80 Prozent seiner Feuchtgebiete und Auen ein. Die Flussbettveränderungen führten dazu, dass natürliche Flussläufe um 30 Prozent verkürzt wurden. Ganze Regionen wurden dadurch langfristig entwässert.
Tschechien: Besondere Verhältnisse in Land- und Forstwirtschaft
Im Gegensatz zum benachbarten Polen* ist in Tschechien die Landwirtschaft durch große Anbauflächen geprägt. Während ein polnischer Landwirt im Durchschnitt 11,1 ha bewirtschaftet, ist diese Fläche in Tschechien zehnmal so groß. Große Agrarkonzerne, wie Agrofert, dessen Eigentümer der ehemalige tschechische Premier Andrej Babiš ist, sind in Tschechien auf dem Vormarsch. Die Großbetriebe setzen vor allem auf Weizen und Raps. Das fördert die Monokultur der tschechischen Landwirtschaft und fördert die einseitige Düngung. Die Böden sind immer weniger in der Lage das knappe Wasser, das sie bekommen, zu binden. Es fließt schnell ab, ohne ins Grundwasser zu gelangen.
Der monokulturelle Anbau ist nicht nur in der tschechischen Landwirtschaft, sondern auch in der Forstwirtschaft üblich. Statt Laubbäumen dominieren in Tschechien die Fichten. Rund 70 Prozent der Bäume in den tschechischen Wäldern sind Nadelbäume. Diese Baumart ist ein Glücksfall für den Borkenkäfer, der gerade in der Dürreperiode 2014 bis 2020 die tschechischen Wälder dezimiert hat. Das einzige Mittel gegen den hartnäckigen Schädling ist ein massiver Holzeinschlag, der die Ausbreitung des Käfers ausbremst. Statt des Waldes entstehen so große brachliegende und ungeschützte Flächen. Das verstärkt das Problem der Bodenerosion in vielen Regionen.
Gerade wegen der katastrophalen Situation mit dem Borkenkäferbefall wurden aber mittlerweile Maßnahmen zur Förderung von Laubbäumen ergriffen. Der Laubbaumanteil an neu bewaldeten Gebieten beträgt inzwischen bis zu 40 Prozent. Es wird aber Jahrzehnte dauern bis daraus Waldflächen entstehen.
Tschechien ist auch energetisch auf Wasser angewiesen - Kühlungsfunktion in den Kraftwerken
Zwar sind die Wasserkraftwerke in Tschechien nicht systemrelevant, doch nahm ihre Leistungsfähigkeit in den besonders trockenen Jahren um bis zu 50 Prozent ab. Das Wasser ist aber nicht nur eine Energiequelle, sondern stellt wegen der Kühlungsfunktion einen existenziell wichtigen Bestandteil des tschechischen Energiemixes dar, wobei das Land zu je ein Drittel auf Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke setzt. Der Kühlungsvorgang wird in Tschechien in der Regel in sogenannten Kühltürmen durchgeführt. Doch muss auch hier ausreichend kühles Wasser nachgefüllt werden, um die Kühlung aufrechterhalten zu können.
Die bestehenden Atommeiler in Temelín und Dukovany sind gut gegen Wassermangel vorbereitet, da frühzeitig Staudämme an den nahegelegenen Flüssen Moldau und Jihlava gebaut wurden. Für den geplanten Bau eines weiteren Blocks in Dukovany sind aber solche Sicherheitsmaßnahmen wahrscheinlich nicht mehr möglich. Der Fluss Jihlava könnte im Zuge der Nutzung des Wassers für Kühlungszwecke binnen eines Jahres austrocknen, befürchten die Experten. Auch der Ausbau des Kernkraftwerks in Temelin wird gerade vor dem Hintergrund des Mangels an Kühlungswasser in der Moldau kritisch diskutiert.
Zukünftig dürfte sich aber die Situation im Zusammenhang mit dem Wasserbedarf in der Energiewirtschaft beruhigen. Tschechien vollzieht, wie viele andere Länder auch, einen fuel switch in Richtung Erdgas. Die alten Kohlemeiler sollen dann durch Gaskraftwerke und erneuerbare Energiequellen ersetzt werden. Die Problematik des Kühlungswassers dürfte sich daher in Zukunft deutlich entspannen. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA