Bislang hatte die Politik ein solches Szenario allenfalls hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Die Sorge war stets, dass allein schon die Debatte die Moral bei der Einhaltung der Maßnahmen schwächen könnte. Das ändert sich langsam. „Der Grundsatz ,Impfen, Testen, Genesen ist der Weg in die Normalität‘ muss Gültigkeit haben“, sagte CSU*-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unserer Zeitung. „Wenn jeder ein Impfangebot bekommen hat, lassen sich Grundrechtseingriffe nicht mehr rechtfertigen.“
Sorge bereitet Dobrindt, der trotz allem zu Vorsicht, Masken und Abstand rät, noch die Situation von Kindern und Jugendlichen, die von der neuen Delta-Variante besonders gefährdet sind. „Die offene Frage der Zulassung der Impfstoffe für unter Zwölfjährige muss schnell gelöst werden.“ Bislang hat die EU-Arzneimittelbehörde den Biontech*-Impfstoff nur für Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. Für Kinder gibt es noch überhaupt keinen Impfstoff.
Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend. Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums verwies darauf, dass noch nicht alle in der Bevölkerung ein Impfangebot erhalten hätten. Die Präsidentin der Deutschen* Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk, hält sogar diesen Zeitpunkt für verfrüht. Das Angebot allein reiche nicht aus. „Wir müssen eine hohe Zahl an geimpften Personen haben, damit wir verhindern, dass das Virus sich doch noch einmal breitmachen kann“, sagte sie im SWR. Selbst wenn im September 70 Prozent geimpft seien, überlasse man die weiteren 30 Prozent dem Risiko, sich anzustecken. (Mike Schier mit dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.