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Vier gegen China: Quad-Allianz will Freiheit des Indopazifik gewährleisten – doch bei einem Thema sind sie nicht einig

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Von: Christiane Kühl

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Der neue australische Premierminister Albanese, US-Präsident Joe Biden, Japans Ministerpräsident Kishida und Indiens Premier Modi
Die Vier vom Quad-Gipfel: der neue australische Premierminister Albanese, US-Präsident Biden, Japans Ministerpräsident Kishida und Indiens Premier Modi (von links nach rechts). © POOL/Zuma Wire/Imago

Die vier Quad-Staaten sind sich in fast allem einig: Sie wollen unter Führung der USA die freie Ordnung im Indopazifik gegenüber Chinas Machtstreben erhalten. Doch im Ukraine-Krieg schert Indien aus.

Tokio/München – Am deutlichsten ist das, was nicht gesagt wird: Es geht um China. Ein Quartett führender Demokratien will im Indopazifik noch enger zusammenarbeiten. Die sogenannte Quad-Allianz aus den USA, Japan, Australien und Indien hat auf ihrem Gipfel am Dienstag bekräftigt, einen Konflikt wie in der Ukraine in der Region unbedingt zu vermeiden. „Wir lehnen entschieden alle zwanghaften, provokativen oder einseitigen Maßnahmen ab, die darauf abzielen, den Status quo zu ändern und die Spannungen in der Region zu erhöhen“, hieß es in der Abschlusserklärung nach dem Gipfel in Tokio. Der unausgesprochene Hintergrund ist Chinas wachsendes Machtstreben in der Region.

An dem Gipfeltreffen nahmen als Gastgeber Japans Regierungschef Fumio Kishida, US-Präsident Joe Biden, der indische Premierminister Narendra Modi sowie der neue Regierungschef Australiens, Anthony Albanese, teil. Albanese war erst am Vortag vereidigt worden. Die vier Staaten treten gemeinsam für einen freien und offenen Indopazifik ein. Die Quad-Staaten stießen in Tokio unter anderem eine neue Initiative zur besseren Seeüberwachung an, mit der auch die illegale Fischerei in der Region bekämpft werden soll. Das Vorhaben werde es ermöglichen, nahezu in Echtzeit eine „schnellere, weitreichendere und genauere“ Meeresüberwachung zu gewährleisten, so das Weiße Haus.

Auch Schiffe, die ihre Positionsübertragung gezielt ausschalten, um nicht ertappt zu werden, sollen mit dem System besser geortet werden können. China wird häufig vorgeworfen, illegale Fischerei in Territorialgewässern anderer Staaten in der Region zu tolerieren oder gar zu fördern. Die Daten aus dem System sollen laut dem Beschluss auch Partnerstaaten in Südostasien, dem Indischen Ozean sowie den Inselstaaten im Pazifik zur Verfügung gestellt werden.

Ukraine-Krieg: Quad-Mitglied ebenso wie China offiziell mit neutraler Haltung

Biden bezeichnete am Dienstag zudem den von Russland gestarteten Ukraine-Krieg als weltweite Herausforderung. „Das ist mehr als nur eine europäische Angelegenheit, es ist ein globales Problem“, sagte Biden. „Wir bewegen uns durch eine dunkle Stunde unserer gemeinsamen Geschichte.“ Auch hier steht China in der Kritik wegen seiner Weigerung, Russlands Angriff zu verurteilen. Doch innerhalb der Quad-Gruppe ist die Sache durchaus verzwickt. Denn auch Indien verhält sich in dem Konflikt betont neutral. Neu-Delhi trägt die westlichen Sanktionen nicht mit und kaufte sogar massiv zusätzliches russisches Öl zu günstigen Preisen auf. Russland stieg im April zum viertgrößten Öllieferanten Indiens auf, Tendenz weiter steigend.

Indien hat traditionell gute Beziehungen mit Moskau und kauft viele russische Rüstungsgüter. Die Gipfel-Erklärung erwähnte daher den Angriff Russlands mit keinem Wort. Es hieß lediglich, die vier hätten ihre „jeweiligen Antworten“ zum „Konflikt in der Ukraine“ und dessen Folgen diskutiert. Albanese sagte allerdings im Anschluss, dass bei dem Treffen „deutliche Meinungen“ über Russland geäußert wurden. Der Westen versucht seit Kriegsbeginn erfolglos, Indien auf seine Seite zu ziehen.

Mehr Einigkeit herrscht da im Umgang mit China. Alle vier Staaten haben Probleme mit Chinas Machtstreben in der Region. Sowohl Indien als auch Japan haben territoriale Konflikte mit China: Indien im Himalaya, Japan im ostchinesischen Meer. Australien wiederum sorgt sich um Chinas wachsende Aktivitäten im Pazifik – vor allem angesichts eines Sicherheitsabkommens, das Peking kürzlich mit den Salomonen-Inseln geschlossen hat. Der Umgang mit China spielte daher im gerade abgelaufenen Wahlkampf Australiens eine ungewöhnlich große Rolle.

USA: Allianzen und Wirtschaftspartnerschaften im Indopazifik

Die USA weben derzeit ein dichtes Netz sicherheitspolitischer Allianzen im Indopazifik. Dazu gehört auch das Bündnis Aukus mit Australien und Großbritannien, das eine Lieferung amerikanischer Atom-U-Boote an Canberra umfasst. Peking wirft Washington daher seit langem eine Eindämmungspolitik vor. Weniger aktiv waren die USA dagegen lange Zeit in der Wirtschaftskooperation mit Asien. Das soll sich aber nun auch ändern: Am Dienstag startete Biden ein neues Rahmenabkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Indopazifik-Raum namens IPEF, dem auch Japan, Australien, Indien und neun weitere Staaten angehören werden – nicht aber China.

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Das IPEF ist bisher allerdings kein sehr weitreichendes Abkommen. Es geht vor allem darum, die Staaten der Region durch gemeinsame Regeln für Technologiekonzerne, den gemeinsamen Schutz von Lieferketten oder dem gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel enger um die USA zu scharen. Ein Handelsabkommen mit Zollsenkungen ist IPEF nicht. Für ein solches bräuchte Biden die Zustimmung im US-Kongress, und die wäre alles andere als sicher. Viele Experten kritisieren IPEF daher als planlos. Es ist also ungewiss, ob die Initiative in der Region für große Euphorie und eine wirkliche Zusammenarbeit sorgen wird.

Indopazifik: Sicherheit Taiwans rückt in den Fokus

Angesichts des Ukraine-Krieges rückt zudem die Sicherheit Taiwans wieder mehr in den Fokus der USA und ihrer Verbündeten. Biden hatte China am Vorabend des Gipfels mit einer ungewöhnlich klaren militärischen Beistandszusage vor einem Angriff auf Taiwan gewarnt. Am Dienstag ruderte er allerdings wieder ein wenig zurück. Er bekräftigte auf die Frage eines Reporters, dass die Politik der "strategischen Zweideutigkeit" im Umgang mit China und Taiwan weiterhin gelte: "Nein. Die Politik hat sich überhaupt nicht geändert." Schon am Montagabend hatte Verteidigungsminister Lloyd Austin betont, Bidens Aussage bedeute keinen Kurswechsel in der US-Politik.

Unklar blieb, ob das Hin und Her strategisches Kalkül oder doch eher ein Versehen war. Die widersprüchlichen Äußerungen könnten eine Strategie sein, Peking Signale zu senden, dass Washington eine aggressive Änderung des Status quo nicht tolerieren würde, schrieb die Hongkonger South China Morning Post unter Berufung auf Analysten. So oder so, die USA unterstützen Taiwan heute stärker militärisch als noch vor einigen Jahren: Sie liefern mehr und andere Waffen und trainieren taiwanische Soldaten. Denn China übt verstärkt Druck aus auf Taiwan, sodass es Befürchtungen gibt, China könne sich ermutigt fühlen, im Schatten des Ukraine-Krieges eine Invasion der demokratisch regierten Insel zu starten. Die Volksrepublik sieht Taiwan als abtrünnige Provinz an und hat eine gewaltsame Eroberung nie ausgeschlossen. (ck)

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