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Afghanistan: Bundesregierung in der Kritik – „Kurzsichtig, kaltherzig, verantwortungslos“

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Von: Lukas Rogalla

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Regierungserklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Lage in Afghanistan
„Die Taliban sind neue Realität in Afghanistan“, so Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer letzten Regierungsanprache. © Achille Abboud/Imago

Der Bundestag unterbricht seine Sommerpause für eine Sondersitzung, bei der Kanzlerin Angela Merkel ihre letzte Regierungsansprache hält.

+++ 13.32 Uhr: Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch spricht hinsichtlich der Evakuierung aus Afghanistan von einem „Desaster“. „Alle hätten gerettet werden können“, sagt er. Doch anstatt entsprechenden Anträgen der Linken und Grünen zuzustimmen, habe Merkels Regierung „kurzsichtig“ und „kaltherzig“ gehandelt. „Das war verantwortungslos“, meint Bartsch. „Man hätte hier das größte Risiko annehmen müssen. Stattdessen: Handlungsunfähigkeit“, moniert er.

Die letzten Wochen seien „unentschuldbar“, ruft Bartsch den Ministern Heiko Maas (SPD), Horst Seehofer (CSU) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu. „Warum sind Sie nicht eingeschritten?“, fragt er auch Merkel. Die Folgen des Handelns der Bundesregierung würde nun Menschenleben gefährden. Nur „ausgewählte“ Ortskräfte zu evakuieren sei „unmenschlich“. Auch der „Versuch, Demokratie zu exportieren“ sei klar gescheitert.

+++ 13.25 Uhr: Christian Lindner, Spitzenkandidat der FPD, sagt, dass die Verantwortung für das Debakel in Afghanistan zugeordnet werden müsse. „Zu einer vorausschauenden Politik gehört, die Grenzen des Machbaren zu erkennen“, sagt er. Aus der Situation in Afghanistan müsse man Konsequenzen für das zukünftige Handeln ziehen. „Die letzten Tage und Wochen haben den Eindruck organisierter Unverantwortlichkeit verstärkt, und das muss Folgen für die Sicherheitspolitik unseres Landes haben.“ Frankreich, sagte Lindner, habe schon am 10. Mai mit der Evakuierung afghanischer Ortskräfte begonnen. Es müsse einen EU-Sondergipfel geben.

Debatte im Bundestag zum „Desaster“ in Afghanistan

+++ 13.19 Uhr: Rolf Mützenich von der SPD fordert zwar einerseits Zustimmung für den Einsatz und wirbt für humanitäre Hilfe für Geflüchtete und Afghanistans Nachbarländer. Dabei greift er auch gegen Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet an. Ein von ihm angedachter „Sicherheitsrat“ sei kein geeignetes Instrument, um solche Fehler, wie in Afghanistan, künftig zu vermeiden. Deutschland brauche nun einen erfahrenen Regierungschef, betont er.

+++ 13.15 Uhr: Nun debattiert der Bundestag. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland greift die Regierung um Kanzlerin Merkel erwartungsgemäß scharf an. „Unsere Armee hat im Ausland nichts zu suchen“, so Gauland. Ausnahmen gebe es nur, wenn deutsche Interessen direkt bedroht seien. Die Bundeswehr sei ausschließlich als „Instrument der Verteidigung“ gedacht. Gauland spricht sich für die Aufnahme von Ortskräften aus, die Deutschland in Afghanistan „loyal gedient“ hätten. Ansonsten wolle man niemanden aufnehmen.

+++ 13.13: Zu Beginn der Regierungseklärung gestand Angela Merkel Fehler in Afghanistan zwar ein, wehrte sich allerdings auch gegen Kritik der Opposition, Ortskräfte und ihre Angehörigen nicht früher evakuiert zu haben. Im Nachhinein präzise Analysen und Bewertungen zu machen ist einfach. Wir konnten aber nicht Hinterher, im Nachhinein entscheiden“, sagte die Kanzlerin. Der Fokus müsse nun auf dem Evakuierungseinsatz liegen. Man werde Gespräche mit den Taliban suchen, deren Vormarsch man in dem Tempo unterschätzt habe.

Angela Merkel: Letzte Regierungserklärung im Bundestag zu Afghanistan

+++ 12.46 Uhr: Man müsse sich angesichts der aktuellen Lage kritische Fragen stellen, sagt die Kanzlerin. In Afghanistan sei nie langfristige Stabilität entstanden. „Waren unsere Ziele zu ehrgeizig“ fragt Merkel rhetorisch, „hätten die großen kulturelle Unterschied ernster genommen werden müssen?“ Den Taliban ein festes Datum zum Abzug der Truppen zu nennen, sei möglicherweise „falsch“ gewesen. Nun brauche es Zeit zur Aufarbeitung. Diese Zeit werde man auch nutzen, um internationale Ziele zu vereinbaren. Nun liege die Aufmerksamkeit aber beim laufenden Evakuierungseinsatz, für den Merkel nachträglich um Zustimmung des Bundestags bittet.

Merkel bleibe der festen Überzeugung, dass man den „Drang der Menschen nach Frieden und Freiheit“ in Afghanistan nicht unterbinden könne, ganz egal ob durch „Gewalt“ oder „Ideologie“. Man dürfe Afghanistan nicht vergessen“. Die Regierungserklärung ist damit beendet.

+++ 12.39 Uhr: Merkel bezieht sich auf Äußerungen des damaligen deutschen Verteidigungsministers Peter Struck, wonach „unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“ werde und stimmt diesen zu. Dieser Satz habe das Ziel auf den Punkt gebracht. Den Auftrag habe die Bundeswehr erfüllt. Plötzlich herrscht Unruhe im Saal und es gibt Zwischenrufe der Opposition.

+++ 12.33 Uhr: „Die Taliban sind neue Realität in Afghanistan“, so Merkel. Für das Land sei es eine bittere Lage. Dennoch habe man hier Gutes bewirkt. Das weitere Vorgehen müsse nun mit den internationalen Partnern besprochen werden. Die Evakuierungsmission werde „so lange wie möglich“ fortgesetzt,

+++ 12.31 Uhr: „Im Nachhinein präzise Analysen und Bewertungen zu machen ist einfach. Wir konnten aber nicht Hinterher, im Nachhinein entscheiden“, verteidigt Merkel die Entscheidung, Ortskräfte nicht früher aus Afghanistan evakuiert zu haben.

Trotz der rasanten Machübernahme durch die Taliban sei Merkel davon überzeugt, dass die internationale Gemeinschaft in Afghanistan auch „viel Gutes“ geleistet habe. Beispielsweise seien keine internationalen Terroranschläge mehr von Afghanistan ausgegangen. Das hänge direkt mit dem Einsatz der Bundeswehr zusammen. Über 90 Prozent der afghanischen Bevölkerung hätten nun Zugang zu Strom, 2011 waren es weniger als 20 Prozent, sagt Merkel. Weitere 500 Millionen Euro sollen in die Entwicklungshilfe vor Ort fließen.

Live: Regierungserklärung von Angela Merkel zu Afghanistan – „Entwicklung unterschätzt“

+++ 12.27 Uhr: Derzeit laufe der größte Evakuierungseinsatz der Geschichte durch die Bundeswehr. Fast die Hälfte der evakuierten Menschen aus Kabul seien laut der Bundeskanzlerin Frauen. Merkel betont, dass sich Deutschland weiterhin bemühe, Ortskräfte zu evakuieren. Merkel geht auf die Frage ein, wieso Ortskräfte und Angehörige nicht früher evakuiert worden sind. Die Lage sei sehr differenziert.

+++ 12.21 Uhr: Der Einsatz in Afghanistan stehe und falle mit den Truppen der USA, so die Bundeskanzlerin. Deutschland und die verbündeten Nationen, wie die USA, hätten die Geschwindigkeit unterschätzt, mit der die Taliban Afghanistan unter ihre Kontrolle brachten. Deutschland sei aber keinen Sonderweg gegangen.

+++ 12.19 Uhr: Angela Merkel könne „nur ahnen“, wie groß der Schmerz von Angehörigen derjenigen Leute ist, die jemanden im Einsatz in Afghanistan verloren haben. Sie spricht Soldatinnen und Soldaten ihre „Anerkennung und größten Dank“ aus.

+++ 12.17 Uhr: Angela Merkel tritt ans Pult. „Wir alle werden Zeugen davon“, mit welcher Verzweiflung tausende Menschen in Afghanistan versuchen, es in ein Flugzeug „in die Freiheit“ zu schaffen. Die Kanzlerin spricht von einer Tragödie und einer „bitteren Entwicklung“ für Afghaninnen, Afghanen und alle Verbündeten, die in Afghanistan im Einsatz waren.

+++ 12.09 Uhr: Der Bundestag gedenkt den Opfern der Hochwasser-Katastrophe sowie verstorbenen Abgeordneten.

+++ 12.07 Uhr: Heute wird es auch um „unbürokratische“ Unterstützung für die Hochwasser-Opfer gehen, wie Schäuble ankündigt.

+++ 12.03 Uhr: Die Sitzung wird von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eröffnet, der von Verantwortung und der „Saat der Freiheit, die wir gesät haben“, spricht. Auch Vertreter der Bundeswehr sind vor Ort und verfolgen die Sitzung von der Tribüne aus.

Regierungsklärung von Angela Merkel live: Sondersitzung im Bundestag

Erstmeldung vom 25.08.2021, 11.58 Uhr: Berlin – Angela Merkel* gibt heute (25.08.2021) um 12 Uhr ihre wohl letzte Regierungserklärung ab. In einer Sondersitzung im Deutschen Bundestag* wird die Bundeskanzlerin* auf die Lage in Afghanistan* eingehen, wo die Taliban* seit mehr als einer Woche an der Macht sind.

Es wird allgemein erwartet, dass sich auch Außenminister Heiko Maas von der SPD* äußert, der zurzeit politisch unter Beschuss steht. Die Kanzlerin und Maas hatten eingeräumt, dass es gravierende Fehler bei der Einschätzung des Tempos gegeben hatte, mit dem die radikal-islamistische Bewegung das Land schließlich eroberte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel
Zur Krise in Afghanistan gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch eine Regierungserklärung ab. (Archivfoto) © Political-Moments/Imago

Krise in Afghanistan: Angela Merkel räumt gravierende Fehler ein

Im Rahmen des Eroberungszugs häufte sich viel Kritik an der Bundesregierung, insbesondere, weil afghanische Ortskräfte, ihre Familien und andere gefährdete Menschen in Afghanistan nicht bereits vor der Machtergreifung evakuiert und ausgeflogen worden sind. Auch gegen Innenminister Horst Seehofer wurden viele Vorwürfe laut.

Der Bundestag soll nachträglich den laufenden Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan billigen, die schon bald wieder enden soll.

In der Sondersitzung, für die der Bundestag seine Sommerpause unterbricht, soll es zudem um die „epidemische Lage“ hinsichtlich der Corona*-Pandemie und Hilfsgelder in Milliardenhöhe für die von der Hochwasser-Katastrophe betroffenen Gebiete gehen. (lrg) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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