Taliban geben seltsam anmutende Pressekonferenz: „Der Krieg ist zu Ende“ - alles bestens in Afghanistan?

Was ändert sich in Afghanistan durch die Machtübernahme der Taliban? Die radikalen Islamisten sprechen auf einer Pressekonferenz - und mimen den barmherzigen Retter.
Kabul - Es ist ein wahrlich seltsam anmutendes Bild, das sich am Dienstag rund 5000 Kilometer von Deutschland entfernt in Kabul zeigte. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sprach auf einer Pressekonferenz über die aktuelle Lage in Afghanistan*. Mudschahid blickt etwas irritiert in die Kameras. Sein Gesicht ist aufgrund der vielen vor ihm aufgestellten Mikrofone nicht immer einwandfrei zu sehen. Dann spricht der radikale Islamist über die weiteren Pläne der Taliban.
Afghanistan: Pressekonferenz der Taliban - „Der Krieg ist zu Ende“
Die Szenerie wirkt wie eine lupenreine Inszenierung als machtpolitischer Staatsmann. Das stetig vermittelte Credo: Durch den Einmarsch der Taliban ist alles in bester Ordnung. Normalität scheint gepriesen werden zu sollen. Wie die Ordnung der radikalen Islamisten aussieht, wurde bereits am Dienstag (17. August) klar. Die Taliban sollen mit dem Abarbeiten von Todeslisten begonnen und sogar bereits öffentliche Hinrichtungen durchgeführt haben*. Während in Kabul weiterhin Menschen um ihr Leben fürchten und die Berichte über die Gräueltaten der Taliban zunehmen, schlagen die Islamisten versöhnliche Töne an. Es wirkt alles etwas skurrill.
Zwei Tage nach der de-facto-Machtübernahme haben die Taliban das Ende des Krieges und eine allgemeine Amnestie, also Straferlass, verkündet. „Der Krieg ist zu Ende“, und „jeder“ sei begnadigt, sagte Mudschahid. Der Taliban-Sprecher kündigte auch an, dass Frauen weiterhin arbeiten gehen dürften, sofern ihre Erwerbstätigkeiten im Einklang mit „den Prinzipien des Islam“ stünden. Ein anderer Taliban-Sprecher sagte zudem in einem Interview des britischen Senders Sky News, dass Frauen in Afghanistan künftig nicht wieder dazu verpflichtet sein sollten, in der Öffentlichkeit die Ganzkörperbedeckung Burka zu tragen. Auch das Tragen anderer Formen von Schleiern solle erlaubt sein.
Afghanistan: Taliban wollen auch andere an der Macht beteiligen
Darüber hinaus wollen die Taliban auch weitere politische Kräfte an der Macht in Afghanistan beteiligen. „Wenn die Regierung gebildet ist, dann wird jeder einen Teil daran haben“, meinte Mudschahid. Die Islamisten seien nicht für Macht hier, sondern um eine islamische Regierung aufzubauen. In der Vergangenheit hatten die Taliban versucht, Afghanistan zum „Islamischen Emirat Afghanistan“ zu machen.
Mudschahid versicherte zudem, dass die Sicherheit von Botschaften und der Stadt Kabul gewährleistet sei. Niemandem würde in Afghanistan etwas passieren. Die Taliban setzten sich auch für die Rechte von Frauen im Rahmen der islamischen Scharia ein. Frauen könnten in den Bereichen Gesundheit, Bildung und anderen Sparten tätig sein. Auch Medien sollten sich keine Sorgen machen. Sie müssten unparteiisch bleiben und Inhalte sollten nicht islamischen Werten entgegenstehen. Auf eine Frage nach dem Tod vieler unschuldiger Zivilisten sagte er, das sei ohne Absicht passiert.
Afghanistan: Blick in die Vergangenheit - sind die grausamen Taten der Taliban passé?
Die Machtübernahme der Taliban schürt bei vielen Afghanen die Furcht, dass die Islamisten eine ähnliche Schreckensherrschaft errichten könnten wie zwischen 1996 und 2001. Damals folgten die Taliban einer extrem rigiden Auslegung der Scharia, des islamischen Rechts. Frauen durften keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, Mädchenschulen wurden geschlossen. Die Strafen bei Gesetzesverstößen waren oft grausam. Dieben wurde die Hand abgehackt. Frauen, die des Ehebruchs bezichtigt wurden, wurden zu Tode gesteinigt.
Auch die Furcht vor Vergeltungsakten der Taliban gegen Soldaten und andere Beschäftigte der frühen afghanischen Regierung sowie gegen afghanische Mitarbeiter ausländischer Staaten und Organisationen haben dazu geführt, dass zehntausende Menschen das Land verlassen wollen. Bereits am Montag hatten die Taliban allerdings eine „Generalamnestie“ für alle Mitarbeiter der früheren Regierung verkündet. Wie viel die Worte des Taliban-Sprechers Wert sind, werden wohl erst die kommenden Tage und Wochen zeigen. Bis dahin bleibt die Lage angespannt. Wir halten Sie im News-Ticker über alle Entwicklungen auf dem Laufenden. (as/afp) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA