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Hungern oder frieren? Britische Stromanbieter gängeln Kunden mit Prepaid-Stromzählern

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Von: Lisa Mayerhofer

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Netzstecker
Auch in Großbritannien haben sich Strom und Gas extrem verteuert. (Symbolbild) © Jessica Lichetzki/dpa/Archivbild

Die Briten leiden ebenso wie die Deutschen unter den hohen Energiekosten. Dort schlagen Sozialverbände Alarm, weil Menschen, die Strom und Gas nur per Vorauszahlung erhalten, nun frieren müssten.

London – Nicht nur in Deutschland sind die Energiekosten explodiert: Auch in Großbritannien, das ebenso von der Kältewelle erfasst wurde, haben sich Strom und Gas extrem verteuert. Und dabei werden Millionen Briten schon jetzt zur Kasse gebeten: Sie haben einen Prepaid-Stromzähler – und das bedeutet, dass sie das Geld für die Energie im Voraus bezahlen müssen, indem sie ihr „Strom-Guthaben“ monatlich meist entweder online oder per Post aufladen. Dabei müssen sie viel höhere Tarife hinnehmen als die Kunden, die per Lastschrifteinzug zahlen.

Großbritannien: Menschen mit Prepaid-Stromzähler müssen draufzahlen

Britische Sozialverbände schlagen nun Alarm, weil die Menschen mit Prepaid-Zählern für Strom und Gas nicht nur von den hohen Energiekosten am härtesten getroffen – sondern auch bei den Hilfsprogrammen der Regierung benachteiligt werden. „Haushalte mit Prepaid-Zählern sind am härtesten von der Energiekrise betroffen, weil sie die steigenden Energiekosten vom ersten Tag an im Voraus bezahlen mussten“, zitiert ntv.de Peter Smith von der Hilfsorganisation National Energy Action. „Es ist eine teurere Zahlungsmethode im Vergleich zum Lastschriftverfahren.“

Wer seinen Prepaid-Zähler nicht aufladen kann, weil das Geld zu knapp ist, läuft Gefahr, bald in seiner Wohnung frierend im Dunklen zu sitzen – denn mit diesem System können Energieanbieter Strom und Heizung quasi durch die Hintertür „abstellen“. Arme würden bei den hohen Kosten vor der Wahl stehen, ob sie lieber heizen oder essen sollen, fürchtet Smith. „Einige Haushalte haben einfach nicht die Mittel, ihre Energiezähler aufzuladen und stellen den Energieverbrauch in ihrem Haus ein“, sagt er laut ntv.de. Dabei habe dies schwerwiegende gesundheitliche Folgen.

Betroffen ist beispielsweise Samantha Pierre-Joseph aus einem Londoner Vorort. Bis vor kurzem beglich sie die Rechnung für Strom und Gas per Bankeinzug. Doch dann stritt sie sich mit dem Energieversorger über eine Rechnung, die sie für ungerechtfertigt hielt. Daraufhin änderte das Unternehmen die Zahlweise. „Vor etwa sechs Wochen kam ich vom Einkaufen nach Hause, ging in meine Küche, stellte meine Taschen ab und schaute auf den Smart-Zähler“, sagt Pierre-Joseph. „Und da stand ‚Jetzt aufladen‘, was wirklich seltsam war.“

Pierre-Joseph, die mit ihrer erwachsenen Tochter zusammen lebt, kann jetzt nur noch Strom und Gas verbrauchen, wenn sie ihr Guthaben auflädt. Außerdem ist sie automatisch in einen höheren Tarif gerutscht, sie muss ihren Zähler jede Woche mit mindestens 69 Euro aufladen. Deshalb bleibt die Zentralheizung jetzt aus – genauso wie die Lichter am Weihnachtsbaum. „Im Grunde genommen sind alle meine Geräte die meiste Zeit über ausgeschaltet – außer dem Kühlschrank und dem Warmwasserboiler“, sagt sie. Um Strom zu sparen, kocht Pierre-Joseph nur noch alle zwei Tage. 

Hohe Energiekosten – Vater: „Ich habe ein Kind, für das ich sorgen muss“

Zwar hat die britische Regierung beschlossen, die Strom- und Gasrechnungen teilweise zu bezuschussen. Wer seine Energierechnungen per Lasteinschrifteinzug zahlt, profitiert automatisch. Doch wer einen Prepaid-Zähler hat, muss dafür einen Antrag einreichen und erhält dafür bis Ende März monatlich 66 Pfund (etwa 75 Euro). Laut einem Bericht der britischen Zeitung Guardian warten tausende britische Energiekunden mit Prepaid-Zählern allerdings immer noch auf die Regierungshilfen, ein Drittel davon sogar auf die 66 Pfund, die eigentlich für den Oktober gedacht waren.

Familienvater Derek Mackay aus Glasgow sagte dem Guardian, dass seine Wohnung schon beim Einzug über Prepaid-Zähler verfügte und er das als Mieter nicht ändern durfte: „Ich zahle also mehr für meine Energie. Selbst wenn ich kein Gas verbrauche, zahle ich immer noch 60 Pfund (etwa 68 Euro) pro Quartal an Dauergebühren“, erklärt der Vater einer Tochter. Seine Miete habe sich zudem um 56 Prozent erhöht.

Mackay sagte weiter: „Die Regierung gibt mir derzeit 66 Pfund pro Monat, aber das hilft nur den Menschen, die keine hohe Rechnung haben. Ich habe ein Kind, für das ich sorgen muss.“ Auch wenn es ihn eigentlich nicht störe, wenn es in der Wohnung kalt sei, so müsse er doch dafür sorgen, dass sein Kind es warm habe. „Ich werde also viel mehr Gas verbrauchen, und dafür werde ich viel Geld bezahlen müssen.“ Die britische Wohltätigkeitsorganisation Citizens Advice hat nun ein Verbot der Umstellung auf Prepaid-Systeme für Strom und Gas über den Winter gefordert. 

Auch in Deutschland gibt es Prepaid-Systeme

Auch in Deutschland gibt es Prepaid-Systeme für Strom. Jedoch sind diese kaum verbreitet – laut Bundesnetzagentur gab es 2017 nur knapp 20.000 installierte Prepaid-Systeme bundesweit. Zudem plant die Regierung in Deutschland angesichts der Energiekrise, den Energieanbietern zu untersagen, bei Zahlungsverzug von Kunden eine Vorauszahlung zu verlangen und einen Prepaid-Zähler mit begrenztem Guthaben zu installieren. Die Begründung: Diese Guthaben-Zähler hätten bislang dazu geführt, dass Kunden von der Versorgung abgeschnitten wurden, sobald das Guthaben aufgebraucht war.

Mit Material der AFP

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